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Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Titel: Bis ans Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Ulrich
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hinter mir, und ich tat - genau b e trachtet - dasselbe. Unglaublich.
    Der Abschied von den netten Menschen am nächsten Morgen fiel mir demen t sprechend schwer. Nun ging es aber weiter auf einem schlüpfrigen engen Pfad steil bergab, bis die gequetschten Zehen in der Schuhspitze ächzten, und dann wieder bequemer durch eine hügelige Kulturlandschaft bis zum Fluß, dem ich noch einige Kilometer bis Yenne zu folgen hatte. Das Städtchen wirkte auf mich geradezu idyllisch, alles ging ruhig und gesittet zu, alles war sauber, geordnet und gepflegt. Die Kirche aus dem 12. Jahrhundert zeugte von einer alten chris t lichen Tradition. Ein veritables Alter für ein Gebäude. Als bei uns der Barock wütete, wurden viele Kirchen neu- und umgebaut, mit allem möglichen Kram vollgestopft. Hier in der französischen Provinz beließ man sie in der alten B e scheidenheit und Strenge. Natürlich standen sie offen. Dafür sind sie ja gebaut worden. Damit man eintritt und betet, oder zumindest stille hält in seinem mat e riellen Streben, das dem Untergang anheimfallen muß. Aus Ton sind wir g e macht, nicht aber unsere Seele. Ich versuchte, an keiner Kirche, keiner Kapelle, keinem Kreuz einfach so vorbeizugehen. Die Kunst interessierte mich kaum d a bei, ich besuchte den Herrn. Manchmal fand ich ihn, manchmal nicht. Nicht immer war er zu Hause, die Stimmung war stets irgendwie anders – sozusagen individuell. Dein Wille geschehe! Oft hatte ich nicht mehr als das vorzubringen. Obwohl ich sonst tausend Wünsche hätte. Auf dem Camino gingen sie mir manchmal aus. Wenn ihr betet, sollt ihr nicht plappern wie die Heiden, die me i nen, sie werden nur erhört, wenn sie viele Worte machen. Macht es nicht wie sie; denn euer Vater weiß, was ihr braucht, noch ehe ihr ihn bittet . [25]
    Yenne liegt auf einer relativ geringen Höhe von über zweihundert Meter. Gleich danach steigt der Grund wieder bis auf fast neunhundert Meter hoch. Ich bereit e te mich auf eine anstrengende Tour vor. Noch genoß ich unter einem alten ste i nernen Pilgerkreuz gute Jause mit all den lokalen Spezialitäten, die ich in der Stadt zu kaufen bekam, und war mit allen Sinnen froh dabei. Später ging es auf engen Pfaden immer höher und höher mit ziemlich spektakulären Sichten von den Klippen über die hundert Meter tiefer liegende Rhône, bis ein wilder, stru p piger Urwald alles schluckte. Endlos zog sich der Weg, herzhaft bissen die I n sekten zu, schnell wurde die Wasserflasche leer. Doch meine gute Stimmung blieb. Ich überwand die höchste Stelle, den Mont Tournier, fand kurze Zeit sp ä ter tatsächlich hinter einer Jaghütte einen funktionierenden Wasserhahn und ru h te mich in einem Stuhl auf der Veranda aus, als ob mir der Laden gehörte. Ich glaube, wäre da eine Axt herum gelegen, ich hätte noch ein bißchen Holz g e hackt. Als es donnerte, ging ich weiter. Irgendwo über den Baumkronen, hinter Berg und Tal, zog wieder ein Gewitter heran. Das war das neue, französische Wetter. Erst Sonne und große Hitze, dann starke Gewitter mit viel Blitz und Donner. Na und? Alles war bestens.
    Außer des Esels, der vor mir ging. Zum ersten Mal tauchte seine Spur irgendwo knapp unter dem Berggipfel auf. Wie aus dem Nichts, was mich aber nichts a n ging. Auch ein Esel hat seinen Platz auf der Welt und kann überall frei heru m laufen, ohne mich nach Erlaubnis zu fragen. Weil er bekanntermaßen faul ist, sucht er sich immer den günstigsten, bequemsten Weg, dem man nur zu folgen hat, wenn man auch faul ist und sich Mühe sparen möchte. Darin war ich alle r dings auch ohne Esels Hilfe recht geschickt. Ich wußte, wohin man zu treten hat. Da aber lag schon ein Misthaufen. Das Gehen erforderte mehr Geschick, Au s weichen kostete Kraft. Auf diese Weise haben schon die Kühe als Spezies all meine Sympathien verspielt, sofern ich zuvor überhaupt welche hatte, nun sol l ten Esel und Maultiere folgen. Bis Le Puy und darüber hinaus durch ganz Fran k reich habe ich deren noch viele gesehen. Unter den Pilgern genießen sie große Beliebtheit. Der Pilger und sein Esel sind sozusagen ein perfektes Paar. Theor e tisch könnte das Tier das Gepäck seines Gebieters tragen, trägt dann aber meist nur das eigene. Mehr erlaube die menschliche Zuneigung wohl nicht. Der Esel weiß es irgendwie und macht das Beste daraus. Er läuft so schnell und so weit, wie es ihm recht ist, pausiert oft und lange und frißt reichlich. Als Helfer taugt er also nicht viel. Dafür ist er dem Pilger ein

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