Bis ans Ende der Welt (German Edition)
Brauchbares herauszufi l tern, woran sie lustvoll partizipieren könnten, aber das vermutlich umsonst, weil Franzosen immer noch nicht auf Fremdsprachen stehen, und warum sollten sie, wenn sie selbst eine so schöne Sprache haben. Andere Völker, so etwa auch die Deutschen, haben nicht so viel Glück und müssen versuchen, sich im gebroch e nen Englisch untereinander zu verständigen. In Deutschland heißt diese Sprache dann folgenrichtig Denglisch und wird überwiegend von Politikern und Man a gern sowie auf den Bahnhöfen benützt. Akzent und Intonation richten sich dabei ausschließlich nach dem Heimatdialekt des Sprechers und sind daher den a n dersstämmigen Germanen nicht immer verständlich. Für die Kommunikation mit anderen Völkern ist aber hinderlich, daß in Denglisch englische Wörter hä u fig andere Bedeutung haben.
Aber das sollte an diesem Nachmittag nicht meine Sorge sein. Vielmehr machte ich mir, wie schon erwähnt, nach dem sechsten Glas langsam Gedanken, wie ich nach Montagnin kommen sollte, denn der kleine Weiler lag irgendwo hinter dem Berg, und meine Kräfte schwanden zusehends. Merkwürdigerweise schien das letzte Wegstück immer irgendwo hinter einem steilen Berg zu liegen, manchmal jedoch auch mittendrin. Dessen eingedenk verzichtete ich auf die dritte Runde. Bill Jones und sein Sohn waren fein raus, sie logierten bequem und teuer in e i nem Hotel vor Ort. Angeblich hätten sie sich „fast Sorgen“ um mich gemacht, als ich so schwankend davon zog, erzählte mir Bill dann einige Tage später bei einem anderen Biergelage, dann hätten sie sich aber meiner Bergerfahrung und des Glücks besonnen und weiter gezecht. Was soll’s, sie hätten mich ja sowieso nicht tragen können. So flatterte ich fröhlich den Berg hoch, bis ich mich an e i ner Baustelle hoffnungslos verhedderte und warten mußte, bis einer des Weges kam, um mir weiter zu helfen. Bis dahin lief ich ungeduldig hin und her wie ein durstiger bayerischer Löwe. Dann aber war ich wieder auf dem richtigen Pfad, ganz allein in den schönen französischen Alpen, sang und jodelte frohgelaunt und erreichte so meine Herberge. Früher einmal war es eine Wassermühle, und folglich hieß sie Le Moulin . Zusammengesetzt aus rohen Granitsteinen war sie nun aufwendig restauriert und sehr komfortabel. Es war niemand daheim, also wartete ich auf Weisung der Nachbarn im Garten auf dem Liegestuhl, sah mit zugekniffenen Augen in die untergehende Sonne und hörte dem Rauschen des Gebirgsbaches zu. Es war herrlich und anmutig wie in der Kirche, und bis die Besitzer nach Hause kamen, war ich wieder fast nüchtern. Zumindest so gut hergestellt, daß ich zum Abendessen reichlich am Wein und Cognac partizipi e ren konnte. Alle vier Gänge waren köstlich und verdienten es, mit gutem Tro p fen begossen zu werden. „Wein auf Bier, das rate ich dir,“ besagt die bayerische Volksweisheit. Ins Denglisch übersetzt würde es heißen: „Wine on beer, no pr o blems, yes!“ Es wurde immer toller in Frankreich.
Le Verney , km 1045
Es mag sein, daß der eine oder andere strenggesittete Leser sich über ein derart ungebührliches Verhalten entsetzt. Aber was soll’s, ich hatte auch einen Grund zu feiern – meine ersten tausend Kilometer. Man kann sie an einem Tag fahren oder in weniger als zwei Stunden fliegen, aber wer legt sie noch allein zu Fuß zurück? Ich besaß keine Vorstellung davon, bevor ich angefangen hatte, und jetzt, wußte ich wirklich Bescheid? Tausend Kilometer, Tag für Tag, über Stock und Stein, Täler und Berge, durch fremdes Land, darüber liest man sonst nur in einem Buch. Da sind tausend Kilometer schlüssig, aufregend und auch ganz ei n fach. Als Knabe, nachdem ich von der Schule nach Hause gekommen war, machte ich mir einen Haufen belegte Brote, kochte eine Kanne Tee dazu und verkroch mich mit Buch und Proviant auf die Couch, wo ich gemütlich durch alle Kontinente reiste. Weder Hitze noch Kälte, weder Hunger noch Durst der Protagonisten konnten mich aufhalten. Je härter es kam, um so besser schmec k ten die Brote. Was täte denn etwa der Kara ben Nemsi Effendi alias Old Sha t terhand gestern abend an meiner Stelle? Er säße locker doch wachsam am busch i gen Ende eines engen Tales, wo das Bächlein leise plätschert, wo es warm, feucht, sicher und kuschelig ist, nagte genüßlich an einer gut abgehangenen B ä rentatze und tränke noch ein paar Schnäpschen mit Lord David Lindsay und Sir Emery Bothwell. Tausend Kilometer lagen
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