Bis ans Ende der Welt (German Edition)
getrockneten Feigen aus me i nem Schweitzer Vorrat. Die Toilette und eine primitive Dusche lagen schon e i nen Stockwerk tiefer, wo früher wohl ein Ziegenstall war. Auf der kleinen Wi e se vor dem Eingang konnte man Wäsche trocknen. Dahinter gab es noch eine Sportvereinshütte und einen Spielplatz, wo einige fröhlich gesinnte Einheim i sche nach dem Grillen noch Wein tranken und Boule spielten. Der Tag neigte sich fröhlich dem Ende zu. Für uns alle war es ganz offensichtlich ein guter Tag, wie auch immer er einzeln gewesen sein mochte. Einer von denen, an die wir bald gar nicht mehr denken, weil alles so harmlos und glatt gelaufen ist, weil nichts unser Gemüt zu sehr erregte, uns kein Lottogewinn geschehen, aber auch kein bißchen Unglück plagte. Es war, worum wir im Vaterunser bitten: Führe uns nicht in Versuchung . An einem solchen Tag bleibt man auch nicht hungrig und durstig. Das ginge doch gar nicht, unser Werk und das Werk Gottes würden sich nicht fügen. Also beschloß ich, unten im Restaurant, das angekündigte „Pi l germenü“ zu versuchen, obwohl in meinem Finanzplan Restaurantbesuche nicht einkalkuliert waren. Aber ich war hier doch der einzige Pilger, das Pilgermenü war nur für mich da, auf einer kleinen schwarzen Schultafel kunst- und schwungvoll mit Farbkreide angekündigt. Und es war eine gute Entscheidung. Eine schmackhafte Gemüsesuppe, ein Rindsteak gerade richtig durch mit vielen Beilagen, Käse und Eis und Kaffee und eine ganze Flasche guten Rotweins für mich allein, all das perfekt serviert in einer attraktiven Umgebung. Dafür fün f zehn Euro zu zahlen war mir trotz leeren Taschen fast schon ein Vergnügen, s o gar der reguläre doppelte Preis wäre mehr als nur gerecht. Statt wie die Deu t schen und die Schweizer gutes Geld für die Übernachtung und gegebenenfalls noch ein reichhaltiges Frühstück zu nehmen, schienen die Franzosen für das gleiche Geld ihre Gäste lieber zu bekochen. Da mir das Abendessen wichtiger ist als das Frühstück, war es mir nur recht so. Ich genoß diesen Luxus. Eine F a milie saß am Tisch gegenüber, drei Generationen Weinbauern, lebhaft und ku l tiviert. Der jüngste von ihnen war ein kleiner blonder Bub von kaum fünf Ja h ren. Wie ein Cherubim sah er aus, doch fuhr er herum wie ein kleiner Teufel und war dann bald kaum zu bändigen. Der Patron beruhigte ihn elegant mit einem Glas Wein, der ihm exzellent mundete und seine Laune deutlich besserte. Und die Familie sah wohlwollend zu, wie dem Buben der Wein schmeckt, und lachte über seinen leichten Schwips. Pointe de vin heißt es familiär auf Französisch. Es war ihnen anzumerken, daß auch sie als Kinder eine ähnliche erste Erfahrung mit dem Wein machten und daran bis heute mit großem Vergnügen dachten. Grob und blöde sind sie offenbar davon nicht geworden wie so oft unsere Ba u ern vom Bier.
Les C tes, km 977
Der Tag startete mit einem heftigen Gewitter, das sich bereits in der Nacht a n kündigte, dann aber doch nicht kam und statt dessen nur grollend aufleuchtete. Blitz und Donner und ein heftiger Regen jagten nun plötzlich über das Tal, au s gerechne t als ich aus der Tür treten wollte. Ich fand es freilich unfair. Als ob sie auf mich gewartet hätten. Doch das Unwetter hatte keinen Bestand. Die heiße Erde schluckte das Wasser wie ein Hund einen Sahnekuchen, nur ein paar Wölkchen dampften noch über der Erde, bald auch das nicht mehr. Meine So r gen über eine kommende kalte Wetterfront waren folglich ganz überflüssig. Wer aber wochenlang im Regen marschieren mußte, darf etwas nervös sein, wenn er ein paar Wolken sieht. Bei schönem Wetter hätte ich vielleicht noch die Bur g ruine aus dem 11. Jahrhundert mit dem letzten Ausblick auf den besucht, so aber war ich entschuldigt. Auf Kuhpfaden ging es talabwärts zum Flüßchen U s ses . Noch war es hier kein richtiges Frankreich, sondern Savoyen, das zuvor acht Jahrhunderte italienisch war und erst 1860 den Franzosen in die Hände fiel. Vom italienischen Einfluß jedoch keine Spur, die französische Kultur schluckt wohl alles. Alles schien mir echt französisch und echt angenehm, und ich fühlte mich wohl. Die Mittagspause verbrachte ich im offenen Garten eines Ferienha u ses mit gutem Blick auf die umliegenden Täler. Zuvor habe ich mich verlaufen und stieg völlig unnötig einen fürchterlich steilen Hang hoch, durch Wald, G e strüpp und viele Kuhfladen. Ich hatte keine Kraft mehr zum Weitergehen, dafür nun aber die gute
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