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Bis ans Ende der Welt

Titel: Bis ans Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Riehl
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ein feierlich gedehntes »Aaaal-so« und setzte sich zurecht. »Der Wald steht für dein Gefühlsleben. Ziemlich düster im Moment.«
    Ralf protestierte: »Überhaupt nicht.«
    »Jetzt geh nicht gleich in die Luft, es muss ja nicht stimmen. Der Test liefert nur Hinweise, nicht die Wahrheit. Außerdem passt der düstere Märchenwald doch ganz gut: Schließlich hast du deine Liebste noch nicht wiedergefunden, oder? Und ›Märchen‹ bedeutet immer auch Romantik.«
    »Na gut.« So konnte man es natürlich auch sehen. »Was bedeutet das andere?«
    »Der Weg ist der Lebensweg. Deiner ist holprig und verschlungen, ohne Abzweigungen. Du gehst davon ab, kehrst aber wieder darauf zurück.«
    Ralf war mit der Deutung weitgehend einverstanden.
    »Die Tasse symbolisiert deine Kindheit. Deine war behütet und du nimmst sie mit ins Erwachsenenleben. Der Bär steht für Probleme.« Sie grinste. »Du verkrümelst dich oder versuchst das Problem zu umgehen.«
    »Sehr komisch. Hätte ich etwa mit ihm diskutieren sollen?«
    »Männer behaupten oft, dass sie sich einen Knüppel suchen. Aber ich finde deine Lösung besser.«
    »Danke.«
    »Die Hütte ist dein Freundeskreis. Alt, verwaist, verschlossen.« Miriam grinste wieder, Ralf gelang nur ein gequältes Lächeln. Dieser Test stimmte: Seine alten Freunde hatte er im letzten halben Jahr schwer vernachlässigt und kaum neue Freundschaften geschlossen.
    »Und was ist mit dem See?«
    »Das kannst du erraten. Es ist ziemlich nahe liegend.«
    »Nein, keine Ahnung. Ehrlich nicht.«
    »Komm schon, welcher Bereich fehlt denn noch?«
    »Was weiß ich?«
    »Ralfi, bitte: Was würde dich an einem anderen Menschen noch interessieren?«
    »Nichts.«
    »Ach nein? Dafür interessiert sich aber jeder.«
    »Jetzt sag schon, mir fällt’s nicht ein.«
    »Na gut: Der See ist dein Sexleben.«
    »Was?«
    »Tu nicht so überrascht. Sex ist für dich ein bisschen schmutzig, du beginnst damit zögerlich, aber als du erst einmal in Fahrt warst, bist du reichlich darin geschwommen. Sogar untergetaucht, Respekt, Respekt.« Sie kicherte.
    Ralf war sprachlos. Einerseits war dieser Test natürlich eine Frechheit, denn mit keinem noch so unterbewussten Gedanken hatte er an Sex gedacht. Andererseits hatte er gegen ein Profi-Image nichts einzuwenden, der erfahrene Genießer, der es auch mal ein bisschen schmutzig mag. Vor allem Miriam durfte das ruhig glauben.
    Sie hörte auf zu kichern. »Na ja, wie gesagt, der Test gibt nur Hinweise. Aber vielleicht steckt ja ein brünftiger Hirsch in dir, der nur darauf wartet, herausgelassen zu werden.«
    »Der Hirsch hat genug Auslauf.«
    »Das sollte kein Angebot sein.« Sie kicherte erneut, unterbrach sich aber gleich und machte ein ernstes Gesicht. »Das letzte Symbol fehlt noch: Die Mauer ist der Tod. Du hast keine genaue Vorstellung von einem Leben nach dem Tod, aber was du dir vorstellst, läuft mehr oder weniger auf Wiedergeburt heraus, denn jenseits der Mauer ist es ähnlich wie diesseits.«
    Über Wiedergeburt und diesen indischen Kram hatte sich Ralf nie groß Gedanken gemacht: Persönlichkeit und Schicksal waren ein Ding, jedenfalls zu eng verbunden, um im Laufe der Geschichte mehrfach aufzutauchen. Wie auch immer, nach seinem Tod wollte er keine Kuh werden - und auch kein Mädchen - also war Wiedergeburt nichts für ihn.
    Alles in allem gefiel ihm der Test: Er war cool, leicht zu merken - musste er mal mit Kristine probieren -, und er, Ralf, hatte nicht schlecht dabei abgeschnitten.
    »Sag mal, Miriam, was hast du eigentlich auf diese Fragen geantwortet?«
    Sie hob abwehrend die Hände: »Keine Ahnung, das ist lange her.«
    »Und was würdest du heute antworten?«
    »Dem Bären trete ich in den Hintern, in der Hütte ist ein Loch im Fußboden, durch das Carol gerade zur Hölle gefahren ist, der See ist kristallklar, und ich hüpfe immer dann rein, wenn ich zufällig gerade Lust darauf habe. Zufrieden?«
    »Was ist mit der Tasse?«
    »Das ist die einzige Antwort, an die ich mich noch erinnern kann: Die Tasse war kaputt und ich habe sie liegen lassen.«
    »Traf das Symbol zu?«
    »Warum habe ich mir diese eine Antwort wohl gemerkt, hm? Es traf ins Schwarze.«
    »Oh.« Ralf merkte, dass er einen wunden Punkt getroffen hatte. »Was war so schlimm an deiner Kindheit?«
    »Das ist eine lange Geschichte. Und so schlimm war es auch wieder nicht, erzähl ich dir ein anderes Mal.«
    »Und die Mauer?«
    »Ich denke ab und zu darüber nach. Jedes Mal ist etwas anderes

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