Bis ans Ende der Welt
Farmer, an ihr vorbei zu seinem Pickup wollte, auf dessen Ladefläche ein Schäferhund saß.
Ihr fiel nichts ein. Was sollte sie schreiben? Sie hatte noch nichts erlebt - zumindest nichts, was für die Karte an Ralf infrage kam. Und hier war gar nichts los: eine Krähe, ein paar Autoreifen und ein Mini-Schrottplatz hinter dem Haus. Sie beschloss, bis zur nächsten Stadt zu warten.
Als sie wieder einstiegen, deutete Kristine auf das Rostgerippe eines alten Reisebusses.
»Schau mal, da hat jemand ›Priscilla‹ draufgesprüht. Was bedeutet das?«
»Weiß nicht«, antwortete Pam, »vielleicht heißt der Bus so.«
Miriam machte Ralf nach dem Frühstück einen Vorschlag:
»Bei meinem Spaziergang habe ich von einer Möglichkeit erfahren, wie du umsonst an ein Mittagessen kommst.«
»Wie?«
»Du musst einen Gottesdienst besuchen. Am Ende gibt es was zu essen.«
»Hostien?«
»Nein, was Richtiges.«
»Wo muss ich da hin?«
»Da ist ein Plakat auf dem Weg zum Strand. Steht alles drauf. ›Komm, schließ dich uns an beim Singen, Beten und Essen. Du bekommst ein köstliches Mittagessen umsonst.‹ Wie klingt das?«
»Weiß nicht.«
»Probier’s doch einfach mal. So ein bisschen Beten kann nicht groß schaden. Dann kannst du mir hinterher erzählen, wie’s war.«
Ralf lachte. »Ach deshalb. Okay, wird gemacht. Und was macht ihr?«
»Ich geh zum Chinesen. Der hat ein ›Alles-was-du-reinkriegst-Angebot‹ für 6,50 Dollar.«
Helge wollte mit zu Sun Hing und war bereit, Hilda das Essen zu spendieren. Als sie hörte, dass Ralf zum Gottesdienst ging, erklärte sie, sie könne nicht andauernd Geld von Helge annehmen, und begleitete Ralf. Das Plakat fanden sie mühelos und auch die Kirche. Eine Dreiviertelstunde lobten und priesen sie den Herrn, Hilda in der Frauenreihe, Ralf bei den Männern.
Hinterher gab es Chicken-Curry mit Reis. Die zwei setzten sich nebeneinander, Hilda fischte alle Hühnerteile aus der Soße und gab sie Ralf. Das viele Singen hatte ihn hungrig gemacht, er aß alles auf, stellte sich noch einmal an und bekam wieder eine volle Portion.
Während er kaute, fragte Hilda: »Warum bist du heute Nacht nicht zu mir gekommen?«
»Hm?« Beinahe hätte Ralf sich verschluckt.
»Warum bist du zu Miriam gegangen? Bist du in sie verliebt?«
Offenbar hatte Hilda falsche Schlüsse daraus gezogen, dass Ralf am Morgen in Miriams Bett lag.
»Ich bin am Morgen umgezogen, in der Küche war es so laut. Das Bett war leer, weil Miriam schon weg war, also hab ich mich reingelegt.«
Hildas amüsierter Blick verriet Ralf, dass sie Zweifel an seiner Geschichte hatte. Es schien sie nicht zu stören - sie legte den Arm um ihn und sagte: »Du sollst nur wissen, dass du auch zu mir kommen kannst.«
»Äh - danke.«
Sie kam ganz nah zu ihm und flüsterte: »Iss weiter.« Dann - Ralf erschrak - steckte sie ihre Zunge in sein Ohr. Mindestens hundert Christen sahen zu, keiner schien es zu bemerken. Ralf wurde heiß. Er versuchte, sich zu erinnern, wann er das Ohr zuletzt gewaschen hatte.
»Ich weiß, dass du eine Freundin hast«, flüsterte sie.
»Woher?«, hörte er sich fragen.
»Helge hat es mir erzählt. Macht nichts.«
Ihre linke Hand war unter sein T-Shirt gewandert und strich über seine Brust. Was sollte Ralf tun? Das hatte er nicht gewollt. Aber bei allem Schuldgefühl - das kam nicht schlecht, also tat er erst mal nichts.
Eine pausbackige Frau lächelte sie an und fragte: »Seid ihr das erste Mal da?«
»Ja, das erste Mal.« Beide nickten.
»Ihr könnt gerne wiederkommen. Ihr seid immer willkommen.«
»Danke, machen wir.«
»Wie heißt ihr denn?«
»Ich bin Ralf.«
»Hilda.«
»Hilda und Ralf, ihr seid ein schönes Paar. Kommt einmal wieder!« Sie verabschiedete sich und ging.
Ralf fühlte sich unwohl. Was am kirchlichen Segen für sein Techtelmechtel mit Hilda lag - oder daran, dass man sich zwei Stunden nach dem Frühstück nicht gleich wieder bis zum Anschlag voll stopfen sollte.
»Bist du fertig mit Essen?«, fragte Hilda.
Sie schlug vor, den Weg über den Strand zu nehmen. Ralf wusste nicht so recht, was er von der Sache halten sollte, ging aber mit. Sein Mund fühlte sich trocken an, das Ohr feucht, der Kopf wie Pudding. In einer Sandmulde abseits der Promenade ließ sich Hilda fallen und starrte verträumt in den Himmel. Ralf setzte sich mechanisch neben sie. Sie zog sich sanft an ihm hoch und küsste ihn.
Es war ein langer Kuss und Ralf genoss jede Sekunde mit schlechtem
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