Bis ans Ende der Welt
Tür gerannt?«
Miriam lag in Shorts und T-Shirt auf einem Handtuch und sah ihn spöttisch an. Ralf ahnte, welche Häme sich über ihn ergießen würde, wenn die Wahrheit rauskäme. Er erzählte seine Geschichte, Miriam war erschüttert.
»Mein Gott, ich Kuh hab dir diesen Job besorgt. Aber wer ahnt, dass sie hier Salzsäure zum Putzen verwenden!«
»Ach - halb so wild. Warum bist du nicht mit den anderen im Wasser?«
»Wegen der Tätowierung. Ich soll mich drei Tage nicht in die Sonne legen und nicht baden gehen.«
»Wo ist denn jetzt der Platypus?«
»Siehst du noch früh genug.«
Ralf malte sich eine delikate Stelle aus.
»Weißt du was?«, fragte sie, »eben lag hier noch eine Schwedin aus unserm Backpacker. Die hielt Helge für meinen Freund und dachte, du wärst mit Hilda zusammen.«
Ralf fühlte wieder, wie sich etwas unter den Rippen zusammenzog. »Äh, warum?«
»Weil sie Helge und mich beim Chinesen gesehen hat. Aber ich schwöre«, sie hob die Hand und kicherte, »wir haben nicht unterm Tisch gefüßelt oder so was.«
Ralf lächelte schwach. Zum Glück kamen Hilda und Helge gerade aus dem Wasser.
Miriam übernahm die Erklärung für Ralfs Gesicht und verdammte noch einmal alle scharfen Toilettenreiniger. Auch Helge bedauerte Ralf. Nur Hilda sah ihn merkwürdig an, ohne etwas zu sagen. Miriam und Helge fanden, Ralf solle nicht baden gehen, um seine Haut nicht noch mehr zu reizen, also kühlte er sich nur kurz ab und sah dann den Surfern zu. Offenbar hatten die zwei seine Geschichte geschluckt. Bei Hilda war er nicht sicher, aber sie sagte kein Wort.
Während Miriam und Helge nach dem Essen abspülten, bezog Ralf sein Stockbett über dem von Miriam. Als er hinunterstieg, stand Hilda vor ihm.
»Du hast mein Tränengasspray benutzt«, sagte sie.
»Äh, wie kommst du darauf?«
»Du hast ausprobiert, wie es wirkt.« Sie lachte schadenfroh.
Verflucht, woher wusste sie das? Wie konnte sie sich so verdammt sicher sein, er hatte das Ding doch an genau die gleiche Stelle zurückgelegt.
»Und, zufrieden mit der Wirkung?«
Abstreiten war zwecklos, aber vielleicht könnte er sie überreden, es nicht weiterzuerzählen.
»Bleibt das unser Geheimnis?«
»Ich weiß nicht.« Sie lächelte verschwörerisch, sah sich kurz um und raunte: »Heute Nacht: eine körperliche Begegnung zweier Fremder - keine Ansprüche, keine Reue. Ab morgen getrennte Wege, okay?«
Ralf spürte wieder ihre Zunge im Ohr - schien eine Spezialität von ihr zu sein. »Körperliche Begegnung« - was für ein beknackter Ausdruck, und wie kam sie eigentlich auf »Fremde«? Das musste sie in irgendeinem Film gesehen haben.
»Aber du darfst niemandem was erzählen, weder von der einen noch von der anderen Geschichte, abgemacht?«
Sie grinste. »Warum sollte ich?«
Miriam kam mit Helge aus der Küche.
»Was machen wir heute Abend?«, fragte sie.
Hilda und Ralf zuckten mit den Achseln.
»Wir könnten noch mal an den Strand«, schlug Miriam vor.
»Und?«, wollte Hilda wissen.
»Wein trinken und uns die Sterne ansehen. Ralf hat ein Fernrohr dabei, eins für Profis.«
»Was? Zeig mal!« Helge war begeistert, auch Hilda wollte es sehen, sofort natürlich.
Ralf wiegelte ab: »Das ist nicht meins, gehört meiner Freundin.«
»Na und?« Helge verstand offenbar nicht, wo da der Unterschied liegen sollte.
»Es darf auf keinen Fall kaputtgehen.«
»Wir machen es nicht kaputt«, antwortete Helge entrüstet, Hilda nickte.
»Trotzdem...«, protestierte Ralf lahm.
»Das ist der Fetisch zur Anbetung seiner Freundin.« Miriam sprach mit Helge, aber Ralf hatte irgendwie den Eindruck, die Worte seien für ihn bestimmt.
»Die Vergrößerungsbrille, durch die er sie anhimmelt, darf nicht durch Blicke Sterblicher entweiht werden.«
Doch die Sterblichen sahen Ralf erwartungsvoll an. Ihm war klar, dass er auf verlorenem Posten stand.
»Wir müssen wirklich verdammt aufpassen. Da darf kein Sand drankommen, nichts.«
13.
Mit einem großkalibrigen Fernrohr, drei Flaschen Wein, Schlafsäcken und Isomatten kamen sie eine Stunde später am Strand an. Ralf ließ das Gerät ins Sweatshirt gewickelt und benutzte es im Liegen als Kopfkissen. Noch interessierte sich niemand dafür.
Nach der zweiten Flasche Wein erklärte Miriam ihre Tätowierung für wassertauglich und ging schwimmen, nackt natürlich. Ralf suchte das Schnabeltier, leider war es dunkel und sie bewegte sich schnell. Erst im Wasser, in der Mondlicht reflektierenden Gischt, wurde es
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