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Bis ans Ende des Horizonts

Bis ans Ende des Horizonts

Titel: Bis ans Ende des Horizonts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Sayer
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Saxofon-Riffs vor, bei denen sie Schwierigkeiten mit dem Fingersatz hatte. Hier bestand ihre Improvisationskunst darin, nur so zu tun, als ob sie spielte, indem sie lediglich auf die Tasten drückte, aber nicht ins Mundstück blies, in der Hoffnung, vom Altsaxofon und dem Baritonsaxofon übertönt zu werden. Zum Glück schien Rudolph nichts zu bemerken. Einige Soldaten hatten bereits ihre Mützen abgenommen und tanzten Jitterbug, andere waren in das leere Schwimmbecken gesprungen und benützten die weißen Kacheln wie eine Tanzfläche.
    Jeder Soldat trug Uniform, doch es war so heiß, dass die meisten Musiker ihre Hemden aufgeknöpft und die Ärmel hochgekrempelt hatten, manche sogar die Hosenbeine. All das brachte Pearl in größte Verlegenheit. Nicht nur, weil sie musikalisch kaum mithalten konnte, sondern weil sie als Einzige korrekt angezogen blieb; dabei breiteten sich bereits Schweißflecken auf ihrem Hemd aus. In den Augen der anderen musste sie bald als besonders verklemmt oder überkorrekt erscheinen – oder als schlichtweg dumm.
    Der Schlagzeuger gab den Takt mit der Zimbel vor, aber Pearl konnte ihn wegen des starken Windes nicht richtig hören. Als sie aufstehen und einen Solopart in Two O’Clock Jump spielen musste – einem Song, den sie unzählige Male im Trocadero gespielt hatte –, hatte sie das Gefühl, dass sie sich nicht im Einklang mit dem Tempo der Band befand, als würde es mit der Brise davonlaufen. Sie geriet allmählich außer Atem, das Tenorsaxofon wog in ihren Händen immer schwerer, die Sonne stach ihr in die Augen, und mittlerweile schwitzte sie so stark, dass ihr Uniformhemd bereits am Körper klebte.
    »Ich habe schon irgendwelche alten Käuze von der Heilsarmee bessere Soli spielen hören als das, was du heute abgeliefert hast, Willis«, sagte der Kapellmeister anschließend zu ihr; er hatte sie extra in seine Kabine kommen lassen. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass du so einen Mist im Trocadero zum Besten gegeben hast.«
    Pearl lief rot an, und sie spürte, dass sie kurz davor stand, in Tränen auszubrechen. Die Blicke und das Räuspern der übrigen Bandmitglieder während der Vorstellung waren bereits peinlich genug gewesen. Sie hätte es fast nicht geschafft, bis zum Schluss durchzuhalten. Moss, der Altsaxofonist, hatt e die Bemerkung fallen lassen: »Sieh an, der berühmte Tenorsaxofonist aus dem Trocadero. Bringt es nicht einmal fertig, im Einklang mit den anderen zu furzen!«
    Lediglich Charlie hatte ein wenig Mitleid gezeigt. Er gab ihr einen aufmunternden Klaps auf die Schulter und meinte, das könne jedem Musiker in einer neuen Band gelegentlich passieren.
    Rudolph stemmte die Hände in die Hüfte und wollte wissen, ob sie betrunken gewesen sei.
    Sie neigte beschämt den Kopf und schüttelte ihn.
    Der Bandleader ging erregt in seiner winzigen Kabine auf und ab und verhedderte sich jedes Mal in seiner Hängematte.
    »Kann ja sein, dass du meine Band für eine zweitklassige Formation hältst, die am Arsch der Welt ihre Runden dreht. Aber eines lass dir gesagt sein« – er stach mit dem Zeigefinger mehrmals in die Luft – »es wird nicht mehr lange dauern, dann spielen wir für Soldaten, die seit Jahren unter japanischem Beschuss liegen, die wochenlang im Schlamm liegen und sich von nichts anderem als Zwieback ernähren. Und ich schwöre dir, du Flachwichser, wenn du nicht in der Lage bist, bei jeder einzelnen Vorstellung das Konzert deines Lebens abzuliefern, dann lasse ich dich so schnell in eine Service-Einheit versetzen, wie du Sayonara sagen kannst. Und dann kannst du bis zum Ende des Krieges auf irgendeiner entlegenen Insel die Latrinen schrubben.«
    Statt ihre Zeit mit Two-up oder Decksspaziergängen zu vergeuden, verbrachte Pearl die nächsten Tage in einem der Bügelräume im Schiffsinnern und übte Tonleitern und Läufe, studierte das Repertoire der Band ein und versuchte mit dem Mundstück des Tenorsaxofons zurechtzukommen, genauso wie mit dessen Gewicht, denn es war doch deutlich schwerer als ihr eigenes Altsaxofon. Das Tenorsaxofon hing ihr wie ein Mühlstein um den Hals. Und schließlich musste sie sich an die niedrigere Tonlage des Saxofons gewöhnen.
    Ihr Übungsraum erinnerte sie an die Zeit, als James und sie sich im Stehen in der Wäschekammer des Booker T. Washington Club geliebt hatten, ganz am Anfang ihrer Beziehung, als ihr Inneres von flimmernden Gefühlen erschüttert wurde. In diesem kleinen Raum störte sie niemanden mit ihrem Lärm. Außerdem

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