Bis ans Ende des Horizonts
ihr, ihn auf die Seite zu schieben, doch das schien er als Aufmunterung zu verstehen und warf sich mit seinem ganzen Gewicht auf sie und nibbelte an ihrem Ohrläppchen und an ihrem Hals.
Sie schrie auf vor Schmerz, und als er daraufhin überrascht den Kopf zurückwarf, hob sie ihren Arm und versetzte ihm einen Faustschlag ins Gesicht. Ohne einen weiteren Ton von sich zu geben, rollte er von ihr herunter und schlug am Boden auf. Einen Moment lang lagen beide bewegungslos da. Pearl war von diesem Angriff völlig schockiert.
»Aber ich dachte, das war es, was du wolltest«, sagte er und betastete sein Auge.
Pearl atmete heftig. Sie wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. »Ich … ich bin nicht so.«
»Das sagen alle diese Typen, die sich selbst nie eingestehen, dass sie eigentlich andersrum sind. Die hassen die Homosexuellen am meisten.«
»Ich hasse keine Homosexuellen. Ich hasse auch dich nicht.«
»Na, dann …« Charlie rappelte sich hoch. Sein Auge schwoll bereits an. »Du warst es schließlich, der mich hier heruntergeführt hat. Du hast doch mich hergelockt.« Völlig überraschend öffnete er nun Gürtel und Reißverschluss, ließ die Hose auf seine Knöchel fallen und stand mit einer prachtvollen Erektion vor ihr.
»Daran kannst du sehen, wie sehr ich dich haben will.«
Pearl wurde vor Verlegenheit und Scham über und über rot, und gleichzeitig empfand sie großes Mitleid mit ihm, denn sie konnte sich vorstellen, wie oft er in dieser Männergesellschaft von vergeblichem Verlangen überwältigt wurde, wie er jahraus, jahrein lügen und sich verstellen musste, und sie war sich darüber im Klaren, dass dies sein ganzes Leben lang so weitergehen würde. Der Unterschied zwischen ihr und ihm und selbst zu James war gar nicht so groß – sie alle waren Außenseiter, die so tun mussten, als ob sie dazugehörten. Sie rutschte von der Matratze und stand auf. Sein aufgerichtetes Glied wippte geradezu ungeduldig in ihre Richtung. Als wollte sie Charlie nachahmen, knöpfte sie nun ebenfalls ihr Hemd auf und ließ ihn die Bandage vor ihrer Brust sehen, dann öffnete sie ebenfalls ihren Gürtel, ließ Hose und Unterhose fallen.
»Willst du es noch immer machen?«, fragte sie.
Charlie starrte das blonde Dreieck zwischen ihren Beinen an. Er wurde bleich, und ihm stockte der Atem. Seine Augenlider flatterten, und dann schrumpfte seine Erektion.
13
Nach acht Tagen auf See ging der Truppentransporter kurz vor Anbruch der Morgendämmerung in Port Moresby am Südostzipfel Neuguineas vor Anker. Alle Soldaten traten an Deck in Reih und Glied an. Nur das Mondlicht schimmerte über dem Hafen, die einzige Beleuchtung über der verdunkelten Stadt. Tropische Feuchtigkeit lag schwer in der Luft, Moskitos schwirrten bereits um Hände und Nacken der Männer, die damit begonnen hatten, in die auf dem Wasser dümpelnden Landungsboote umzusteigen. Pearl umklammerte ihr Gewehr, als sie übergesetzt wurden; alle Gesichter waren von Aufregung und angstvoller Erwartung zugleich gezeichnet. Ein intensiver fauliger Fischgeruch wehte herüber. Die Sterne flimmerten ausgesprochen hell und strahlend, sie wirkten wie Diamantenketten – der Himmel war viel klarer als über Sydney.
Dass sie wenigstens einem Menschen ihre wahre Identität offenbaren konnte, war für Pearl eine ungeheure Erleichterung. Als Charlie und sie wieder in ihrer winzigen Kabine waren, erklärte sie ihm die ganze Geschichte, warum sie die Uniform ihres Bruders trug, warum sie so ein enormes Risiko auf sich genommen hatte, und Charlie schüttelte nur den Kopf und bemerkte: »Du hast dich kein bisschen verändert.« Er drückte vertrauensvoll ihren Arm und versprach, ihr Geheimnis für sich zu behalten und ihr angesichts der Unwägbarkeiten und Härten des ungewohnten Militärlebens nach Kräften beizustehen. Er erklärte ihr, dass Homosexuelle in der Armee prinzipiell ausgemustert werden, aber sein Freund Blue und er hatten es seit zwei Jahren geschafft durchzukommen, seit ihrer ersten Tournee in Neuguinea.
Als Blue jedoch nach Australien zurückgeschickt worden war und so lange Zeit im Sanatorium verbringen musste, war ihre Beziehung schwierig geworden. Charlie erzählte, dass Blue manchmal einfach zu weinen anfing, wenn sie miteinander schliefen. Er konnte es sich selbst nicht erklären, und Charlie fühlte sich irgendwie ohnmächtig, obwohl er ihm gerne helfen würde. Es kam ihm so vor, als würde Blue auf der Dachkante eines Hauses balancieren und er käme
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