Bis auf die Haut
lässt es nie zu, dass sie in der Hitze welken. Drinnen küsst du deinen Mann mitten auf den Mund, deine Wildheit überrascht dich nicht weniger als ihn. Du kostest ihn, trinkst ihn, das tust du so selten. Er erwidert deinen Kuss auf seine Art, als wäre in deinem Mund die köstlichste, teuerste Delikatesse verborgen, die man sich vorstellen kann. Du magst es nicht besonders, wenn er dich auf den Mund küsst, oft wischst du dir hinterher das Gesicht ab, die Spuren, die sein Mund zurückgelassen hat.
Vor diesem Urlaub habt ihr euch das letzte Mal in eurer Hochzeitsnacht geliebt. Der gemietete Bugatti wollte nicht anspringen, du musstest alle entfernten Verwandten von Cole kennen lernen, Theo hatte zu viel getrunken. Endlich konntet ihr euch in euer Hotelzimmer zurückziehen, kichernd und verschwitzt, dazu hungrig wie die Wölfe; in der Minibar gab es nur ein einziges Mars, das ihr euch teilen musstet. Sex hatte auf einmal doch irgendwie einen süßen neuen Beigeschmack, auch wenn ihr plötzlich wie erschlagen müde wart, ein bisschen ungeschickt, und nicht weit kamt: wie ein kleiner Nachtrag zu einem langen Tag. Es spielte keine Rolle, dass der Sex nicht der beste eures Lebens war, ihr wart ja schon so lange zusammen.
Die Hochzeitsreise wurde verschoben, weil Cole einen Auftrag nach dem anderen annahm und sich nicht freimachen konnte. Endlich tat sich eine Lücke auf, vier Monate nach der Hochzeit. Du hast dich nicht beklagt, weil du sein berufliches Engagement schätzt, er ist so solide und zuverlässig, wird dich nie im Stich lassen.
Er hat dich nie zum Orgasmus gebracht. Er geht aber davon aus. Du bist eine gute Schauspielerin, wie vermutlich viele Frauen. Du weißt, was von dir erwartet wird, die Geräusche, das Aufbäumen, das verzückte Gesicht; das gibt es in tausend Filmen zu bewundern und nachzuahmen, das gibt es überall – außer in deinem eigenen Leben. Du hattest überhaupt noch nie einen Orgasmus, weder allein noch mit einem Liebhaber. Du hast sie alle belogen, dass es geklappt hätte. Du bist neugierig darauf, aber nicht neugierig genug. Es ist wie mit einer Sprache, die du nicht sprichst: Du weißt, dass du einen Versuch machen solltest, sie zu lernen, aber du kannst dich einfach nicht dazu aufraffen, du kommst auch ohne bestens zurecht, dein Leben leidet nicht darunter. Du bist Mitte dreißig und hast dich noch nie da unten angeschaut. Cole könnte dir etwas darüber erzählen, wenn du neugierig genug wärst, aber du hast das Gefühl, die intimen Details deines Körpers seien für jemand anderen bestimmt, nicht für dich.
20. Lektion Übergroße Empfindeley wird von manchen Unwissenden als beneidenswerthe Auszeichnung betrachtet
Gin Tonic am Pool.
Cole liest dir etwas aus dem historischen Teil der
Herald Tribune
vor. 1925 ließ sich in New Jersey eine Frau, Mutter von acht Kindern, von
Ali Baba und die vierzig Räuber
inspirieren, erhitzte einen Kessel voller Olivenöl und goss ihn über ihren schlafenden Ehemann.
Öl, Liebling, kannst du dir das vorstellen, Öl!
Doch du hörst kaum zu, denn du denkst an den Mann in der Lobby und an deinen ersten Fick, im Fernseher flimmerte im Hintergrund stumm Monty Python und alles fühlte sich so eng und trocken und unangenehm an. Du denkst daran, wie geschmacklos der Typ danach bei seinen Kumpels herumprahlte, und an den Fernseher, der viel zu laut aufgedreht war. Du denkst an Theo, die mit ungewöhnlicher Heftigkeit an ihrer Zigarette sog – aber das klingt alles so … erbärmlich! Du erinnerst dich, dass sie damals kupferfarbenen Lippenstift in ihre Haare schmierte, um ihre Haarfarbe aufzupeppen, den Tipp hatte sie aus einer Zeitschrift, aber an seinen Namen erinnerst du dich nicht, beim besten Willen nicht.
Du erinnerst dich an Sean, den Studenten, der mit dir und Theo damals eine Wohnung teilte. Er litt an einer hoffnungslosen, verzehrenden Liebe zu einer älteren Frau, die ihm das Herz gebrochen hatte, und bemühte sich nie um Kontakt zu einer von euch beiden, sondern verbrachte seine Tage einsam und Trübsal blasend. Eines Tages verschwand er einfach. Drei Tage später klingelte die Polizei an eurer Haustür und informierte euch, dass Sean mit dem Zug nach Schottland gefahren und zu einem entlegenen Strand getrampt war, an dem seine Geliebte ein Ferienhäuschen hatte; er war ins Meer hinausgeschwommen und nie zurückgekehrt. Noch jahrelang verfolgte dich die Vorstellung von Seans wilder, kaputter Liebe, die Vorstellung, wie das Wasser in ihn
Weitere Kostenlose Bücher