Bis auf die Haut
hineinsickerte, durch seine Haut und sein Fleisch drang und an seinen Knochen leckte. Irgendwie war es tapfer von ihm, so etwas zu tun, der Meinung warst du jedenfalls lange. Jetzt denkst du, wäre er da bloß rausgewachsen, hätte weitergelebt, andere Frauen kennen gelernt und könnte heute zurückschauen und über alles lachen.
21. Lektion Bewegung ist für ein Weib im selben Maße nothwendig wie für Löwen und Tiger
Muli bringt euch zum Garten von Yves St. Laurent, der kühl und geschützt hinter hohen Mauern liegt. Ein Ort ganz nach Theos Geschmack, stachelig und verführerisch, mit Kakteen und Palmen und blauen Farbflächen und Kaskaden von rosa Bougainvilleen, die sich über die Mauern ergießen. Du machst für sie ein Foto, das du ihr mit ein paar Rosenblättern aus dem Hotelzimmer schicken wirst.
Du entfliehst mit Cole der drückenden Hitze in die Kühle der krummen Marktgässchen. Du liebst die Souks, den Instrumentenladen, den es schon vor mehreren Jahrhunderten hätte geben können, im Laden daneben kann man lebende Leguane kaufen, die nächste Bude wiederum quillt über vor Sylvester-Stallone-T-Shirts. Du liebst die Esel in den Gassen, die Katzen, die nur Haut und Knochen sind, und die rote Coca-Cola-Reklame auf Arabisch, das Licht, das aggressiv über alles herfällt, den Staub, der sich dick auf die Haut legt und deine Haare verfilzt, den Saum der Berge um die Stadt, die beredte Dunkelheit, die Grillen und die Hunde und die Frösche. Der Gebetsruf ertönt und Muli entschuldigt sich für zehn Minuten. Du findest es großartig, wie die Religion hier noch alles durchdringt, wie der Gebetsruf dich weckt, wenn es noch dunkel ist, und den Rhythmus deines Tages vorgibt. Cole bewundert die Farben der Stadt, das blaue Gewölbe des Himmels, die satten Ocker- und Rosatöne, kann aber den Staub und das Gewühl und die Hitze nicht ertragen, er lässt es dich lautstark wissen und genießt es überhaupt nicht, dass du ihn überall hinschleppst.
Als Ehefrau wird dein Selbstvertrauen langsam löchrig. Das würdest du ihm sagen. Dass du manchmal das Gefühl hast, die Männer in deinem Leben, die Liebhaber, Kollegen und Chefs, löschten dich mit ihrem polternden, fordernden Herumgetöne langsam aus.
Cole hat wieder einen Termin: Er sucht Zuflucht bei Pokemon-Zeichentrickfilmen, die auf Französisch gesendet werden, einer Sprache, die er nicht versteht, doch die englischen Sender bringen nur Nachrichten, die sich mangels neuer Ereignisse endlos wiederholen. Es gibt auch regionale Nachrichtensendungen, deren Beiträge jeweils zwanzig Minuten lang dauern und ausschließlich aus langatmigen Aufnahmen des Königs während einer Parade zu bestehen scheinen oder allenfalls Männer im Anzug auf niedrigen Stühlen zeigen. Der Nachrichtensprecher ist jung und hat wunderschöne Augen, die wirken, als wären sie mit Kajal umrandet. Du fragst dich, wie er wohl als Liebhaber wäre, ob er
anders
wäre. Du hast gehört, dass muslimische Frauen rasiert sind, und spürst plötzlich ein leises Ziehen zwischen den Schenkeln, wenn du daran denkst, auch bei der Vorstellung, dass sie immer verhüllt und ausschließlich für die Augen ihres Mannes bestimmt sind. Muli hat euch erzählt, dass niemand die Königin je zu Gesicht bekommen hat, sie zeigt sich nicht in der Öffentlichkeit, sondern lebt ganz im Verborgenen.
Das gefällt mir, hatte Cole gelacht.
Und bekam dafür einen spielerischen Klaps.
Später, bei Gin Tonic in der Pianobar, lehnt Cole seine Wange an deine und flüstert, dass er dich einsperren und nie hinauslassen möchte und außerdem eine zweite Ehefrau haben will, mit der du schlafen musst, während er zusieht, und du umfasst sein Gesicht mit beiden Händen: Das war ja vorauszusehen, du bist so berechenbar, McCain, kicherst du und küsst ihn sanft auf beide Wangen, und in dir werden Erinnerungen an Edinburgh wach, als ihr lachend vom Bett geplumpst seid und er dir beim Lieben den Mund mit der Hand verschloss.
22. Lektion Laute Lebensäusserungen sind der Gesundtheit an sich zuträglich, solange niemand dadurch inkommodiert wird
Manchmal fragst du dich, ob dein Mann Frauen wirklich
mag
. Er spricht abschätzig von deinen Freundinnen und Kolleginnen, lehnt Frauen ab, die sich laut oder aufdringlich benehmen, es stört ihn, wenn du dich am Telefon allzu lautstark mit deinen Freundinnen unterhältst, und er zuckt gequält zusammen, wenn dir ein schriller Laut entfährt. Jeder Überschwang ist ihm bei einer Frau zuwider. Er
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