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Bis auf die Knochen

Bis auf die Knochen

Titel: Bis auf die Knochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jefferson Bass
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Felsschichten schnitt, der Highway ges ä umt von so vielen bl ü henden B ä umen, dass Home & Garden Television – das in Knoxville produzierte – samt seiner ganzen Armee von Landschaftsarchitekten und Gärtnern beschämt den Kopf hängen ließ.
    Als ich das East Ridge erklomm und die ausgedehnte S-Kurve nahm, die in das Tal f ü hrte, in das Chattanooga eingebettet war, ging ich das morgendliche Telefonat mit Jess noch einmal durch. Sie hatte angerufen, um die letzten Einzelheiten unserer Exkursion abzusprechen.
    » Ich habe dir ein Zimmer im Marriott in der Innenstadt reserviert «, hatte sie gesagt.
    » Ein Hotelzimmer? Ich brauche ein Hotelzimmer? «
    » Vertrau mir «, sagte sie, » um die Zeit, wenn in diesem Nachtclub allm ä hlich Ruhe einkehrt, wirst du keine Lust mehr haben, zur ü ck nach Knoxville zu fahren.«
    Ich hatte gar nicht erwogen, nach Knoxville zur ü ckzufahren. Ich hatte ü berlegt und gehofft, Jess w ü rde mich einladen, die Nacht bei ihr zu verbringen. Ich versuchte, mir meine Entt ä uschung nicht anmerken zu lassen. Schlie ß lich hatten wir uns bisher nur einmal gek ü sst. Es war ein denkw ü rdiger Kuss gewesen, und ich hoffte, dass es nicht der letzte war. Trotzdem war es nur ein Kuss – ein ziemlich d ü rftiges Fundament f ü r eine Einladung zum Ü bernachten.
    » Um zehn Uhr anzufangen kommt mir ziemlich sp ä t vor «, sagte ich.
    » Vertrau mir, in dem Laden kommt die Party erst gegen Mitternacht in Schwung.«
    Und so geschah es, dass ich Stunden bevor Jess und ich den Nachtclub aufsuchen w ü rden, wo sie hoffte, die Spur der ermordeten Drag-Queen aufzunehmen, im Marriott ankam, einem eleganten Turm aus schwarzem Glas.
    Ich parkte in der Garage unter dem Hotel, checkte in mein Zimmer ein und beschloss, zum Tennessee Aquarium zu spazieren, einer von Chattanoogas Haupttouristenattraktionen. Ich war in den letzten Weihnachtsferien mit Jeffs Jungen dort gewesen und hatte die Konstruktion des Geb ä udes einfach genial gefunden. Ich freute mich ü ber die Gelegenheit, es noch einmal zu besuchen.
    Die Ausstellung im Hauptgeb ä ude begann f ü nf oder sechs Etagen ü ber der Eingangsebene. Dort, unter einer riesigen Glaspyramide, befand sich eine lebensnahe Rekonstruktion eines Bergregenwalds. Genau genommen galten die Great Smoky Mountains als gem äß igter Regenwald, was die ü ppige Vegetation und die wilden Fl ü sse erkl ä rte; hier oben trieben Nebel auf, und Wasser tropfte von B ä umen in B ä che und Teiche. In diesen Wasserl ä ufen und T ü mpeln schossen hinter Glasw ä nden Bachforellen, Molche und Otter hin und her.
    Ebene f ü r Ebene durch die Reihe der Exponate des Aquariums abzusteigen war, wie einen Fluss durch eine Abfolge realistischer Lebensr ä ume in Richtung Meer hinunterzureisen. In ihm lebten Hunderte von Arten, nicht nur Wassertiere und -pflanzen, sondern auch V ö gel und Reptilien, einschlie ß lich einer riesigen Ö stlichen Diamant-Klapperschlange, deren K ö rper so dick war wie mein Unterarm und deren Schwanz stolze f ü nfzehn Rasseln aufwies, die ich ungl ä ubig zweimal z ä hlte. In einem Becken f ü tterten zwei Taucher Fische mit der Hand; einer der Fische – sichtlich wohlgen ä hrt – war ein ein Meter f ü nfzig langer Wels, der wahrscheinlich so viel auf die Waage brachte wie ich. Als der Fisch das Maul ö ffnete, um zu fressen, schien sein Rachen fast gro ß genug, um den ganzen Kopf des Tauchers zu verschlingen.
    Nachdem ich meine Reise flussabw ä rts durch das Delta hinaus ins offene Meer beendet hatte, lie ß ich mich nach drau ß en in einen dunstigen Nachmittag treiben – in einen Fr ü hlingstag, der einem vorkam wie Hochsommer.
    Seitlich vom Eingangsplatz des Aquariums erstreckte sich hangabw ä rts bis zum Tennessee River ein Wasserfall, der als Tribut an die Cherokee-Indianer entworfen worden war, die ersten menschlichen Bewohner im Osten von Tennessee. Der Wasserfall entsprang als Wasserrinnsale, die den Pfad der Tr ä nen darstellten, den brutalen Marsch, der die Cherokee nach ihrer Vertreibung aus Tennessee in eine Indianerreservation in Oklahoma gef ü hrt hatte. Je weiter das Wasser den H ü gel hinunterlief, desto mehr nahm es an Volumen zu, gespeist aus verborgenen Zul ä ufen, bis es zu einem Strom von ansehnlicher Gr öß e angeschwollen war, der ü ber Simse in flache Teiche lief. Kinder in kurzen Hosen, Badeanz ü gen und hochgekrempelten Jeans wateten darin herum; Eltern, ä ltere Geschwister und Babysitter

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