Bis bald, Sharma!
fertig geworden. Es gab Ge müse und Chapati. Sharma schob einen alten, wackeligen Stuhl an unser Matratzenlager und stellte einen schmierigen Teller darauf. Dann schöpfte er mir von dem Gemüse etwas hinein und machte in der Pfanne Chapati für mich. Ich aß still und schaute dabei ständig auf die Uhr, weil mein Zug bald abfuhr. Auch das gemeinsame Essen war nicht schön, Sharma aß im Stehen und ich merkte deutlich, dass er in Eile war, mich zum Zug zu bringen. Der Überraschungsbesuch schien nicht gelungen zu sein. Oder war das nur Einbildung? Meine geschundene Seele war schon ganz schön angeschlagen. Er sagte zwar immer und immer wieder „Ich liebe dich“ zu mir, aber er war irgendwie nicht so recht bei der Sache. Der Vorfall mit Jagir wurmte ihn sehr. Er war furchtbar gekränkt, dass er ihn angelogen hatte. Sharma fühlte sich beleidigt und missachtet. Er wollte keinen Schritt mehr in die Wohnung von Jagir machen. Ich wurde indirekt bestraft durch sein ablehnendes Verhalten Jagir gegenüber, denn wenn Sharma keine ordentliche Bleibe mehr hatte, dann hatte ich auch keine mehr. Im Klartext hieß das, dass ich mit Sharma nicht zusammen sein durfte. Ich gab ihm die Schuld. Und er nahm sie auf sich.
Ich wollte so gern einfach nur mit Sharma glücklich sein, an seiner behaarten Brust mich ausweinen und uns im Ker zenschein schöne Geschichten erzählen. Diese schöne Zeit war vorbei! Ich wollte diese Zeit wieder zurückholen und hoffte, dass sie uns in Regensburg wieder begegnen würde, doch wann würde er mit mir mitkommen?
Als er mich zum Zug brachte, merkte ich, dass wir über haupt nicht miteinander gelacht hatten - das war bedenklich. Wir waren nur traurig gewesen.
An nebeligen, kalten Tagen wie heute, an diesem 26. Novem ber, fehlte mir mein Sharma besonders. Was hatte er zu suchen in diesem dreckigen Zimmer ohne seine Liebe? Ich wollte ihn hier in meiner Wohnung verwöhnen und ihm all meine Liebe schenken. Ich wollte mit ihm ein Vollbad mit Duftöl nehmen - er hatte noch nie gebadet, sagte er. Ich wollte ihn danach am ganzen Körper massieren und ihm dabei klassische Musik vorspielen. Ich wollte seine langen, schlanken, ganz fein behaarten Hände cremen und sie so lange in meinen Händen halten, bis ich mich genug satt gesehen hatte an diesem schönen Anblick. Ich wollte ihm Gedichte vorlesen und mit ihm darüber sprechen. Ich wollte ihm mein Buch zeigen, wie viel ich schon geschrieben hatte. Ich wollte mit ihm zusammen am Tisch sitzen und mit ihm nach einem gemeinsamen Gebet essen. Ich wollte mit ihm am Waschbecken zusammen Zähne putzen und dabei Faxen machen, wie früher. Ich wollte sehr früh mit ihm ins Bett gehen, damit wir ganz viel Zeit hatten, uns zusammen zu kuscheln, uns zu lieben, zu küssen, zu streicheln, Sex zu machen. Ich wollte so Vieles! Aber er war so weit weg. Ich vermisste ihn schmerzlich, meinen indischen Traumprinzen. Ich träumte von unserer goldenen Zukunft, in der wir uns nie streiten und in vollkommener Harmonie leben wollten. Wir wollten uns gegenseitig nur Gutes tun. Das Leben ist so kurz. Die Hälfte unseres Lebens war schon an uns vorübergegangen, es blieb uns nicht mehr viel Zeit für unsere Liebe.
Ich weiß nicht, wie es wäre, wenn wir als Acht zigjährige im Bett zusammen kuscheln, wäre das dann genauso schön wie jetzt? Unsere Seelen wären die gleichen, auch unsere Herzen, unsere Gedanken und unsere Liebe – aber, oh je - unsere Körper? Sie würden schrumpelig und verbraucht sein und nicht mehr schön zum Ansehen. Meine Brust würde runterhängen und Sharmas Barthaare wären weiß und auch seine langen Brusthaare. Vielleicht wären seine Kopfhaare schon komplett ausgefallen und aus seinen süßen Grübchen wären tiefe Furchen geworden. Meine Augenlider und meine Wangen würden herabhängen und meine weiblichen Rundungen wären verschwunden. Was würde Sharma noch an mir schön und anziehend finden? Wäre ich noch sexuell attraktiv für ihn? Hätte er noch sexuelles Verlangen? Sein Vater, so erzählte mir Sharma, habe noch im hohen Alter mit seiner Frau geschlafen.
Ich glaube, im Alter ist die sexuelle Liebe nicht mehr so wichtig. Wenn Me nschen alt werden, hat die Liebe eine viel größere Bedeutung. Die Liebenden im Alter haben sich schon so aneinander gewöhnt, dass sie sich nie verlassen würden und nicht einmal gerne allein sterben wollen.
„Ich möchte dich nicht einmal im Tod und danach allein lassen, meine Süße. Wenn ich eher sterbe als du, dann
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