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Bis Das Feuer Die Nacht Erhellt

Bis Das Feuer Die Nacht Erhellt

Titel: Bis Das Feuer Die Nacht Erhellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Becca Fitzpatrick
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mich.
    Ich legte mich auf die Bank und schloss die Augen gegen
den Sternenstaub am Himmel. Ich verschränkte meine zitternden Hände auf dem Bauch, wobei sich meine Finger anfühlten wie gefrorene Zweige. Ich fragte mich, warum das Leben manchmal so schlimm sein musste, fragte mich, wie die Menschen, die ich am meisten liebte, mich am tiefsten enttäuschen konnten, fragte mich, auf wen ich meinen Hass eher richten sollte – auf Marcie, ihren Vater oder meine Mutter.
    Tief in meinem Inneren klammerte ich mich an die Hoffnung, dass Marcie sich irrte. Ich hoffte, dass ich es ihr heimzahlen konnte. Aber das flaue Gefühl, das mein Innerstes nach außen zu kehren schien, sagte mir, dass ich wahrscheinlich enttäuscht werden würde.
    Ich konnte mich nicht genau erinnern, aber es war irgendwann letztes Jahr gewesen. Vielleicht kurz bevor mein Vater starb … nein. Danach. Es war ein warmer Tag gewesen – Frühling. Das Begräbnis war vorüber, meine Schonfrist der Trauer vorbei, und ich war zurück in der Schule. Vee hatte mich zum Schwänzen überredet, und in dieser Zeit hatte ich gegen nichts Widerstand geleistet. Ich trieb dahin. Ich kam über die Runden. Weil wir wussten, dass meine Mutter bei der Arbeit sein würde, gingen wir zu mir nach Hause. Wir mussten die ganze siebte Stunde gebraucht haben, um dorthin zu kommen.
    Als das Farmhaus in Sicht kam, zog Vee mich von der Straße.
    »Da steht ein Auto in eurer Einfahrt«, sagte sie.
    »Wem könnte es gehören? Sieht aus wie ein Land Cruiser. «
    »Deine Mutter fährt sowas doch nicht.«
    »Meinst du, es ist ein Polizist?« Es war nicht besonders wahrscheinlich, dass ein Detective einen Sechzigtausend-Dollar-SUV fuhr, aber ich war so daran gewöhnt, dass Kriminalpolizisten
bei uns vorbeikamen, dass es der erste Gedanke war, der mir kam.
    »Lass uns näher rangehen.«
    Wir waren beinahe an der Einfahrt, als die Haustür aufging und Stimmen ertönten. Die meiner Mutter … und eine tiefere Stimme. Die eines Mannes.
    Vee zerrte mich an die Seite des Hauses, außer Sicht.
    Wir sahen zu, wie Hank Millar in den Land Cruiser stieg und davonfuhr.
    »Du lieber Himmel«, sagte Vee. »Normalerweise würde ich jetzt sonstwas denken, aber deine Mutter ist ja ziemlich puritanisch. Ich wette, er hat versucht, ihr ein Auto zu verkaufen. «
    »Er soll nur deswegen hier rausgefahren sein?«
    »Aber sicher, Süße. Autohändler wissen nie, wann sie’s übertreiben.«
    »Sie hat schon ein Auto.«
    »Einen Ford. Das ist wohl der schlimmste Feind von Toyota. Marcies Vater wird erst glücklich sein, wenn der ganze Ort Toyota fährt…«
    Ich tauchte wieder aus meinen Erinnerungen auf. Aber was, wenn er ihr gar kein Auto hatte verkaufen wollen? Was, wenn – ich schluckte – sie eine Affäre hatten?
    Wo sollte ich jetzt hingehen? Nach Hause? Das Farmhaus fühlte sich nicht mehr an wie mein Zuhause. Es fühlte sich nicht mehr sicher und geborgen an, eher wie ein Kasten voller Lügen. Meine Eltern hatten mir eine Geschichte von Liebe, Zusammengehörigkeit und Familie verkauft. Aber wenn Marcie die Wahrheit sagte – und meine größte Furcht war momentan, dass sie das wirklich tat – dann war meine Familie ein Witz gewesen. Eine große Lüge, von der ich nie auch nur die geringste Ahnung gehabt hatte. Hätte es keine Warnzeichen geben müssen? Hätte mich nicht die plötzliche
Erkenntnis überkommen müssen, dass ich dies zwar immer schon heimlich vermutet hatte, es aber vorzog, es zu verleugnen, statt der schmerzhaften Wahrheit ins Gesicht zu sehen? Das hier war meine Strafe dafür, dass ich anderen Menschen vertraut hatte. Das war meine Strafe dafür, dass ich nach dem Guten in den Menschen gesucht hatte. So sehr ich Patch gerade jetzt hasste, so sehr beneidete ich ihn doch um den kalten Abstand, der ihn von allen anderen trennte. Er erwartete stets das Schlechteste von Menschen. Wie tief sie auch sinken mochten, er war darauf vorbereitet. Er war hart und weltlich, aber er wurde dafür geachtet.
    Er wurde geachtet, und ich wurde belogen.
    Ich setzte mich auf der Bank auf und tippte die Nummer meiner Mutter ins Handy. Ich wusste nicht, was ich sagen würde, wenn sie antwortete; ich würde mich von meiner Wut und meinem Betrogensein leiten lassen. Während ihr Telefon klingelte, liefen heiße Tränen über meine Wangen. Ich wischte sie weg. Mein Kinn bebte, und alle Muskeln in meinem Körper waren verkrampft. Wütende, böse Worte kamen mir in den Sinn. Ich stellte mir vor, wie ich sie ihr

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