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Bis Das Feuer Die Nacht Erhellt

Bis Das Feuer Die Nacht Erhellt

Titel: Bis Das Feuer Die Nacht Erhellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Becca Fitzpatrick
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ins Gesicht schreien würde, sie jedes Mal unterbrechen würde, wenn sie versuchte, sich mit noch mehr Lügen zu verteidigen. Und wenn sie weinte … Sie würde mir nicht leid tun. Sie verdiente es, jedes Gramm von dem Schmerz zu fühlen, den sie mir mit ihren Entscheidungen bereitet hatte. Ihr Anrufbeantworter sprang an, und ich musste mich beherrschen, um das Telefon nicht in die Dunkelheit hinauszuwerfen.
    Dann rief ich Vee an.
    »Hallo, Süße. Ist es wichtig? Ich bin mit Rixon zusammen …«
    »Ich haue von zu Hause ab«, sagte ich, und es war mir egal, dass ich schluchzte. »Kann ich eine Weile bei dir wohnen? Bis ich weiß, wohin ich will.«

    Vees Atem erfüllte mein Ohr. »Wie bitte?« »Meine Mutter kommt am Samstag nach Hause. Ich will dann weg sein. Kann ich den Rest der Woche bei dir bleiben?«
    »Ähm, darf ich fragen …«
    »Nein.«
    »Okay, sicher«, sagte Vee und versuchte, ihre Betroffenheit zu verbergen. »Du kannst bei mir bleiben, kein Problem. Und du erzählst mir, was los ist, wenn du so weit bist.«
    Ich fühlte, wie neue Tränen in mir aufstiegen. Jetzt war Vee der einzige Mensch, auf den ich mich noch verlassen konnte. Sie konnte unausstehlich sein, doof oder faul, aber sie log mich nie an.
     
    Ich kam gegen neun am Farmhaus an und schlüpfte in einen Baumwollschlafanzug. Die Nacht war nicht kalt, aber die Luft war feucht, und die Feuchtigkeit schien unter meine Haut zu kriechen und mich bis auf die Knochen auszukühlen. Nachdem ich mir eine Tasse heiße Milch gemacht hatte, fiel ich ins Bett. Es war zu früh zum Schlafen, aber selbst wenn ich es versucht hätte, hätte ich nicht einschlafen können; meine Gedanken schmetterten sich immer noch gegenseitig in Stücke. Ich starrte an die Decke, versuchte, die letzten sechzehn Jahre auszuradieren und von vorn anzufangen. Sosehr ich es auch versuchte, ich konnte mir Hank Millar nicht als meinen Vater vorstellen.
    Ich schwang mich aus dem Bett und marschierte den Flur hinunter zum Schlafzimmer meiner Mutter. Ich riss ihre Aussteuertruhe auf und suchte nach ihrem Highschool-Jahrbuch. Ich wusste nicht einmal, ob sie eines hatte, aber wenn, dann hob sie es vermutlich in der Aussteuertruhe auf. Wenn sie und Hank Millar zusammen zur Schule gegangen waren, dann musste es Fotos geben. Wenn sie zusammen gewesen waren, dann hätte er ihr Jahrbuch auf eine Weise unterschrieben,
dass man das auch erkennen konnte. Fünf Minuten später hatte ich die Truhe gründlich durchsucht und nichts gefunden.
    Ich tappte in die Küche, durchsuchte die Schränke nach etwas Essbarem, hatte dann aber doch keinen Appetit mehr. Ich konnte nichts essen, wenn ich an die große Lüge dachte, zu der meine Familie geworden war. Ich ertappte mich, wie ich die Haustür ansah, aber wo sollte ich hingehen? Ich fühlte mich verloren im Haus, war ruhelos, wollte weg, konnte aber nirgends hin. Nachdem ich mehrere Minuten lang auf dem Flur gestanden hatte, ging ich wieder in mein Zimmer hinauf. Als ich mit bis unters Kinn hochgezogener Decke im Bett lag, schloss ich die Augen und sah zu, wie Bilder sich in meinem Kopf abspulten. Bilder von Marcie; von Hank Millar, den ich kaum kannte und dessen Gesicht ich mir nur unter Schwierigkeiten in Erinnerung rufen konnte; von meinen Eltern. Die Bilder kamen immer schneller und schneller, bis sie sich zu einer merkwürdig verrückten Collage vermischten.
    Plötzlich schienen die Bilder den Rückwärtsgang einzulegen, in der Zeit zurückzureisen. Alle Farbe schwand aus der Spule, bis es nichts mehr gab, außer verschwommenem Schwarzweiß. Da wusste ich, dass ich in andere Gefilde gerutscht war.
    Ich träumte.
     
    Ich stand im Vorgarten. Ein heftiger Wind fegte tote Blätter über die Einfahrt und um meine Knöchel. Eine merkwürdig trichterförmige Wolke wirbelte über mir in der Luft, machte aber keine Anstalten zu landen. Es war, als wollte sie sich Zeit nehmen, bevor sie zuschlug. Patch saß auf dem Verandageländer, den Kopf gesenkt, die Hände locker zwischen den Knien gefaltet.

    »Verschwinde aus meinem Traum«, schrie ich ihn über den Wind hinweg an.
    Er schüttelte den Kopf. »Nicht, bevor ich dir gesagt habe, was hier los ist.«
    Ich zog meine Schlafanzugjacke fester um mich. »Ich will nicht hören, was du zu sagen hast.«
    »Die Erzengel können uns hier nicht hören.«
    Ich lachte wütend auf. »Es hat dir wohl nicht gereicht, mich im wirklichen Leben zu manipulieren – musst du es jetzt auch noch in meinen Träumen tun?«
    Er hob

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