Bis das Glück mich findet
auch wenn Brendan ihm wiederholt eine Stelle in der Firma angeboten hat. Er hat Greg auch gefragt, ob er sich an dem Barbados-Geschäft beteiligen will, aber Greg hat abgelehnt.« Sie zuckte mit den Schultern. »Sie haben deswegen ein bisschen gestritten, aber ich bin heilfroh, dass Greg bei seiner Meinung geblieben ist. Alle Leute hier in der Gegend kennen uns, und obwohl sich viele nach wie vor sehr anständig uns gegenüber verhalten – zumindest, wenn sie uns ins Gesicht sehen –, möchten sie uns auskundschaften und sind felsenfest davon überzeugt, dass wir mehr wissen, als wir zugeben. Es gibt Gerüchte, wonach Brendan ein Doppelleben geführt hat mit Dutzenden von anderen Frauen – sie nennen sein Haus in Mount Merrion sein Liebesnest, weswegen Kelly furchtbar bestürzt ist, weil sie dort immer wohnt, wenn sie sich in Dublin aufhält. Dann gibt es noch das Gerücht, dass Domino Brendan in einem geheimen Raum im Keller von Atlantic View versteckt hält und dass sie planen, gemeinsam das Land zu verlassen, wenn ein bisschen Gras über die Sache gewachsen ist. Die meisten jedoch glauben, dass er bereits geflohen ist, nachdem er das Firmenkapital an sich gebracht hat, und dass er sich jetzt irgendwo auf den Seychellen oder so versteckt hält. Die Meinungen gehen auseinander, ob Domino und Kelly demnächst ebenfalls mitten in der Nacht fliehen werden, um sich zu ihm zu gesellen.«
»Ja, das ist starker Tobak«, bemerkte Gabriel.
»Und die Leute sind bereit, das Schlimmste anzunehmen. Einige glauben tatsächlich, dass Brendan jetzt, wo er alles verloren hat, sich so geschämt hat, dass er sich umgebracht hat. Obwohl, ich schätze, wenn er das wirklich getan hätte, hätte er nicht vorher seinen Schrank ausgeräumt.«
»Das denke ich auch«, pflichtete Gabriel ihr bei.
»Die Sache ist die« – Emma schaute ihn beklommen von der Seite an –, »ein Teil von mir denkt, dass das vielleicht nicht das Schlechteste wäre.«
Gabriel sagte nichts dazu.
»Wenn er sich umgebracht hätte, wäre das Ganze wenigstens ausgestanden. Die Leute hätten Mitleid. Sicher, es wäre entsetzlich für Domino und Kelly, aber sie würden irgendwann darüber wegkommen und könnten ein neues Leben anfangen, statt sich an eine kaputte Vergangenheit zu klammern.«
Gabriel schaute sie aus dunklen Augen forschend an. »Emma …«
»Keiner aus der Familie kann so weitermachen, untereinander zerstritten, böse auf Brendan und voller Angst, was die Zukunft bringen wird«, fuhr sie fort.
»Wem bist du am meisten böse?«
Emma hielt seinem Blick stand.
»Ich weiß es nicht«, sagte sie dann. »Wem soll ich denn am meisten böse sein, Gabriel, was meinst du? Wem, von all den Menschen in meinem Leben?«
»Du solltest versuchen, niemandem böse zu sein«, erwiderte er.
»Du warst es, der mit diesem Thema angefangen hat«, sagte sie anklagend. »Und, ja, es stimmt, ich bin böse auf dich, Gabriel.«
»Warum?«
»Du weißt verdammt genau, warum! Du bist kein Priester mehr. Jetzt – wo es zu spät ist. Wo es dein Leben kaputtgemacht hat.«
»Deswegen solltest du nicht böse sein«, erwiderte Gabriel. »Wirklich, Emma. Das ist nicht nötig.«
»Glaubst du?«
»Ich weiß es.«
»Du hast leicht reden«, fauchte Emma. »Entschwindest zum Amazonas oder sonst wohin und machst einfach weiter als wunderbarer, engagierter Laie.«
»Emma, bitte.«
Sie schaute ihn unglücklich an. »Du hast dein Leben vermasselt und hast es geschehen lassen, dass ich mein Leben ebenfalls vermasselt habe«, fuhr sie unbeirrt fort. »Alle reden immer nur von Brendan und was er alles verbrochen hat und wie er ihr Leben ruiniert hat, aber genau das hast du mir angetan, Gabriel Brady, und das weißt du auch genau.«
»Ich dachte, das hätten wir alles schon vor langer Zeit geklärt, Emma. Ich bin davon ausgegangen, dass du okay bist. Ich dachte, du und Greg, ihr beide seid glücklich miteinander. Das hast du mir doch selbst gesagt …«
»Was für eine Ironie, nicht wahr?«, fiel sie ihm ins Wort. »Ich wette, du hast als Priester sehr, sehr viele Menschen betreut, und alle haben sie gesagt, wie einfühlsam du bist, aber ich … Du dachtest, ich bin okay, nur weil ich es behauptet habe.«
Unvermittelt schlug sie die Hände vors Gesicht und fuhr mit bebender Stimme fort: »Wieso glauben die Leute das immer? Wenn man als Kind hübsch und bei allen beliebt ist, gehen die Leute wie selbstverständlich davon aus, dass es für den Rest deines Lebens so weitergehen
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