Bis das Glück mich findet
ganz sicher längst überholt. Zugegeben, die katholische Kirche verlangte von ihren Priestern nach wie vor einen zölibatären Lebensstil, aber Emma war felsenfest davon überzeugt, dass viele Priester das Keuschheitsgelübde brachen. Hatte es nicht in den Neunzigerjahren einen Skandal nach dem anderen gegeben, als bekannt wurde, dass Priester (darunter sogar ein Bischof, du meine Güte) Kinder gezeugt hatten? Nein, das Leben, das Gabriel führte, passte einfach nicht mehr in die heutige Zeit, fand Emma.
Und dennoch. Als sie wieder daheim in Cork war und neben Greg in ihrem Ehebett lag und sich vorstellte, dass sie sein Kind im Leib trug, konnte Emma sich nicht dagegen wehren, dass das schlechte Gewissen sie packte. Es war nicht richtig von ihr gewesen, Greg zu betrügen. Wenn sie schon unbedingt mit Gabriel schlafen wollte, hätte sie sich vorher von ihrem Ehemann trennen müssen.
Wenn sie jetzt tatsächlich die Möglichkeit hätte, sprich, wenn Gabriel als Partner infrage käme, würde sie dann Greg seinetwegen verlassen? Würde sie sich von einem Mann trennen, der aufmerksam und zärtlich im Bett war, zugunsten eines Liebhabers, der von Sex keine Ahnung hatte – immer vorausgesetzt natürlich, dass Gabriel überhaupt mit ihr zusammen sein wollte? Gabriel konnte lernen, gut im Bett zu sein, gewiss. Aber würde er das überhaupt wollen? Und es ging dabei nicht nur um den Sex, wie Emma sich eingestand. Es ging darum, zu einer Familie zu gehören. Mit Greg zusammen hatte sie die Chance, eine richtige Familie zu gründen. Vater, Mutter und Kind.
Sie gab sich eine Zeit lang diesen Grübeleien hin, bis ihr einfiel, dass Gabriel kein Wort davon gesagt hatte, dass er wegen ihr seine Karriere als Priester an den Nagel hängen würde. Und sie hatte ihre Zweifel, ob die Sünden des Fleisches, die er so sehr mit ihr genoss, ihm so viel bedeuteten, das er deswegen sein Leben unwiderruflich auf den Kopf stellen würde. Ob er wohl fand, dass sie, Emma, es wert wäre?, fragte sie sich.
Sie sah Gabriel erst einen Monat bevor ihre Mutter starb wieder. Maura befand sich zu jener Zeit bereits in einem Sterbehospiz, und Gabriel hatte sie dort besucht. Er hatte an ihrem Bett gesessen, als Emma ins Zimmer gekommen war. Gabriel war bei ihrem Anblick wie vom Donner gerührt.
Anschließend trafen sie sich in der Cafeteria, wo er sie aus angstvollen Augen ansah.
»Warum hast du mir nichts gesagt?«, fragte er.
»Warum hätte ich?«
»Wir sind die ganzen letzten Monate in Kontakt gewesen. Du hättest es mir sagen müssen.«
»Es war nicht von Bedeutung.«
Er schaute sie weiter völlig entgeistert an, und plötzlich ging ihr ein Licht auf, und sie wusste, was ihm zu schaffen machte.
»Das Kind ist nicht von dir, Gabriel«, sagte sie.
»Woher weißt du das so genau?«
Und dann gestand sie ihm, dass sie schwanger gewesen war, als sie mit ihm geschlafen hatte. Mit einem Ausdruck tiefen Abscheus im Gesicht stellte er seine Tasse auf den Unterteller zurück, wobei seine Hand heftig zitterte.
»Du hattest nicht das Recht …«
»Ach, sei still, Gabriel«, fauchte sie. »Fang nicht an, mich zu belehren, was recht oder unrecht ist.«
»Was zwischen uns passiert ist, war fürchterlich unrecht.«
»Ich weiß. Aber es hat dir Spaß gemacht.«
»Darum geht es nicht.«
»Du hast mich gefragt, wann wir uns wieder treffen können«, erinnerte sie ihn. Er hatte ihr diese SMS geschickt in der Woche, nachdem sie beide wieder zu Hause waren.
»Das macht mir auch zu schaffen«, gestand er. »Ich habe damit zu kämpfen, seit es passiert ist. Das Körperliche. Und was ich dabei empfunden habe. Alles.«
»Mir macht es auch zu schaffen«, bekannte sie. »Ich bin schließlich diejenige von uns beiden, die verheiratet ist!« Sie streckte den Arm aus und berührte seine Hand, er jedoch zuckte regelrecht zurück, als hätte sie ihn geschlagen.
»Hör mal, es ist nicht so, dass ich … es ist einfach … es gehört sich einfach nicht«, sagte er mit eindringlicher Stimme. »Emma – wir können nicht … es ist nicht richtig. Es wird niemals richtig sein.« Und damit war er aufgestanden und weggegangen und hatte sie allein an dem Tisch zurückgelassen, wo sie unter den neugierigen Blicken der zwei Frauen am Nachbartisch ihren Tee austrank.
Er schickte ihr keine weiteren SMS oder E-Mails mehr. Dann war Maura gestorben. Und ihre Beerdigung war für Emma eine furchtbare Strapaze in mehr als einer Hinsicht. Ein Fernbleiben Gabriels wäre unmöglich
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