Bis das Glück mich findet
packen und den Wagen über eine Klippe ins Meer rollen zu lassen. Es mit in den Supermarkt zu nehmen und dort einfach den Kinderwagen stehen zu lassen. Sie versuchte, diese grässlichen Gedanken zu verscheuchen, schaffte es aber nicht. Und bisweilen fand sie sie sogar tröstlich; bisweilen war es sogar angenehm, diese Gedanken zuzulassen und in ihnen zu schwelgen.
Sie könne nichts dafür, erklärte Lily Delahaye ihr. Sie habe eine postnatale Depression und müsse schleunigst zum Arzt. Die Ärzte würden es nicht verstehen, erwiderte Dominique. Sie hatten großartige Arbeit geleistet bei der Entbindung, hatten sie und das Baby gerettet. Sie hatten Wunder vollbracht, um sie beide am Leben zu erhalten. Wie könnte sie da jemals gestehen, dass sie inzwischen wünschte, sie beide wären damals gestorben? Die Ärzte wären entrüstet, und sie, Dominique, könnte es ihnen nicht einmal verdenken, denn jeder, der so etwas überstanden hatte, müsste doch eigentlich überglücklich sein.
»Die werden nicht böse reagieren«, sagte Lily beschwichtigend. »Dir geht es nicht gut, Domino. Du musst wieder gesund werden.«
Lily war zu ihnen nach Dublin gefahren, gleich nach der Geburt des Babys, und auch wenn Dominique im Krankenhaus auffallend still und teilnahmslos gewirkt hatte und immer gleich in Tränen ausgebrochen war, so hatte ihre Schwiegermutter dies für die Nachwirkungen der dramatischen Umstände bei der Geburt gehalten. Deshalb war sie nach ein paar Tagen wieder heim nach Cork gefahren mit Fotos von Mutter und Kind im Gepäck und dem Gedanken, dass das Baby eine echte Delahaye war und ihre Schwiegertochter eben die Heultage hatte und sich nach ein paar Tagen zu Hause schon wieder fangen würde. Doch dann hatte Brendan angerufen, mit der alarmierenden Nachricht, dass es eher noch schlimmer geworden sei und Dominique den lieben langen Tag nur noch auf der Couch sitze und an einer Haarsträhne herumkaue. Wie Brendan seiner Mutter berichtete, berührte sie das Baby eigentlich nur, wenn sie es stillte, und wenn sie es wickeln musste, erledigte sie das auf eine Art und Weise, die deutlich machte, wie sehr es ihr widerstrebte.
Brendan machte sich Sorgen wegen Dominique, doch noch mehr beunruhigte ihn die Vorstellung, ihr Verhalten könnte sich negativ auf das Baby auswirken. Er wusste nicht mehr aus noch ein. Dominique weigerte sich kategorisch, mit Evelyn zu reden. Sie weigerte sich, zu einem Arzt zu gehen. Sie weigerte sich, zu irgendjemandem Kontakt aufzunehmen, und verkroch sich in ihrer Wohnung. In seiner Hilflosigkeit rief Brendan seine Mutter an und bat sie herzukommen. Dominique mochte Lily. Er wusste, sie kam gut mit seiner Mutter aus. Wenn jemand ihr helfen konnte, so war es Lily.
Aber auch Lily schaffte es nicht, zu Dominique durchzudringen.
Die Träume hatten angefangen, kaum dass man Dominique aus dem Krankenhaus entlassen hatte. Es waren stets die gleichen. In dem Traum wurde ihr das Baby weggenommen, weil sie, wie man ihr in der Klinik beschied, nicht seine richtige Mutter sei. Es sei ein Ding der Unmöglichkeit, dass sie die Mutter dieses Kindes sei. Ich bin es aber, beteuerte Dominique, ich weiß ganz genau, dass ich seine Mutter bin. Dafür gebe es keinen Beweis, hieß es dann. Sie habe das Kind schließlich nicht geboren, nicht wahr? Das Baby könnte wer weiß wem gehören. Außerdem käme es ihr doch äußerst gelegen, wenn man ihr das Kind wegnähme. Das wünschte sie sich doch jeden Tag, nicht wahr?
Jedes Mal wachte sie in panischer Angst und schweißgebadet aus diesen Träumen auf. Dann stand sie auf, ging zu dem Kinderbettchen und betrachtete ihr Baby. Schau, das ist dein Kind, sagte sie zu sich, du hast es doch so geliebt, als es noch in deinem Bauch war, und du liebst es auch jetzt. Doch egal wie oft sie sich diese Worte vorsagte, wie oft sie versuchte, eine innere Beziehung zu dem Kind herzustellen, es gelang ihr einfach nicht.
Emma hatte in der Klinik angerufen, als Dominique im Wochenbett lag, aber diese hatte ihre Freundin nicht sehen wollen. Sie rief erneut an, als Dominique wieder zu Hause war, und Brendan teilte ihr mit, Dominique sei noch zu erschöpft für Besuche, würde aber in einer Woche oder so zurückrufen. Maeve, die ebenfalls anrief, erhielt die gleiche Antwort. Dominique jedoch wollte auch später nicht mit ihnen reden oder sie gar treffen, und so stellten beide Freundinnen schließlich ihre Anrufe ein.
June kreuzte auf mit ihrem eigenen Baby Alicia, das ein wahrer Engel
Weitere Kostenlose Bücher