Bis das Herz brennt - die inoffizielle RAMMSTEIN Biografie
‚Sehnsucht‘, ‚Mutter‘ – und dann ‚Reise Reise‘? Das hört sich einfach scheiße an. Dann kam noch jemand mit der englischen Übersetzung: ‚Trip, Trip.‘ (alle lachen) – Das war’s dann! Wir haben noch keinen Titel.“ In einem Interview mit dem Musikmagazin
Das Ding
aus dem September 2004 verriet Richard, dass sie schließlich doch bei „Reise, Reise“ blieben und alle anderen Titel verwarfen: „Die früheren CD-Titel waren so stark, denk nur an ‚Sehnsucht‘ oder ‚Mutter‘. Aber wahrscheinlich muss ich mich nur dran gewöhnen. Mir gefällt die Idee, die hinter ‚Reise, Reise‘ steckt eigentlich gut. Der Titel bietet viele Facetten, und jeder hat dabei ein anderes Bilder im Kopf.“
„Reise, Reise“ ist ein Ausruf unter Seeleuten, der die Matrosen auf Segelschiffen zum Aufstehen bewegen soll. Mit „Reise“ hat der Weckruf allerdings von der Wortherkunft nichts zu tun, denn er hat seinen Ursprung im niederdeutschen „rise rise“ und auch im Englischen „to rise“, und das bedeutet nichts anderes als „aufstehen“.
Mit diesem Titel war auch ein Thema für die äußere Verpackung des Albums gefunden. Auf dem Cover ist ein Flugschreiber zu sehen, der zu einem abgestürzten Flugzeug gehört, inklusive der Aufschrift „Flugrekorder nicht öffnen“. Und auf den Booklet-Seiten ist das angeschlagene Innere des Schreibers abgebildet. Die limitierteAuflage des Albums zeigt im CD-Heft alle Bandmitglieder bei einem abgestürzten Flugzeug. Das Thema wird auch auf dem Titelsong aufgegriffen, der gleich das erste Lied des Albums ist. Bevor die Musik einsetzt, sind 36 Sekunden Flugrekorder-Aufnahmen von Funksprüchen einer Boeing 747-SR46 (JA 8119) der „Japan Airlines“ zu hören, die am 12. 08. 1985 gegen einen Berg prallte. Dabei kamen 520 Menschen ums Leben. Das ist die höchste Zahl an Todesopfern in der Geschichte der Zivilluftfahrt beim Absturz eines einzelnen Flugzeugs.
Über die Musik, die danach folgt, und die klanglichen Unterschiede zu „Mutter“ sagte Paul Landers im Interview mit
Rock Hard
für die Ausgabe 06/04: „Wir haben versucht, den Gesang noch mehr in die Musik einzubetten. Oder anders gesagt: Die Musik ist mehr denn je eine Manege, in welcher der Gesang besser zur Geltung kommt. Wie zehn weiße Tiger. Eine Plattform, ein Flugzeugträger für die Worte
(kichert)
. (…) Die Flugzeuge jedenfalls müssen schön starten können
(lacht)
. Außerdem gibt es auf der Platte weniger Riffs, weil die Gitarren irgendwie anders sind. (…) Es gibt aber Leute, die sich das angehört haben und es eigentlich wie immer fanden. Für mich jedenfalls ist das Album schon anders als ‚Mutter‘, und für den aufmerksamen Rammstein-Fan sicher auch. Für meine Oma vielleicht nicht, aber für sie klingt auch jeder AC/DC-Song gleich. Wie auch immer: Für den einen wird es anders klingen, für den anderen ist die neue Platte genau dasselbe. Und beide Parteien haben wahrscheinlich recht.“ Auf die Frage, ob „Mutter“ denn noch zu übertreffen sei, sagte Paul weiter: „Metallica haben nach ihrem schwarzen Album auch weitergemacht. Man schreibt ein gutes Album nicht deshalb, damit man danach kein weiteres machen darf. Man versucht vielmehr, jedes Mal ein gutes Album zu machen. Oder, um es diplomatisch zu sagen: ein anderes Album, eine Weiterentwicklung.“
Und die war auf „Reise, Reise“ sehr offensichtlich, denn es gab noch mehr als bei „Mutter“ ein paar echte Überraschungen und Experimente. So kommt das unplugged-ähnliche „Los“ nur mit einer rhythmischen Akustik-Gitarre und Mundharmonika schon fast als Rhythm & Blues daher. Bassist Oliver Riedel sagte über dieses für Rammstein bisher sehr ungewöhnliche Lied im Interview mit der österreichischen Netzzeitschrift
Evolver
im September 2004: „Von ‚Los‘ gab es anfangs eine harte Version, aber die klang dann doch zu sehr nach der klassischen Rammstein-Struktur. Und wir dachten uns, vielleicht können wir es als Cowboy-Lied aufnehmen, ohne harte Gitarren, das fanden wir dann interessanter. Wir wollten einfach nicht genauso klingen wie auf der dritten Platte.“ Auf „Ohne Dich“ werden Mandolinen und eine Oboe eingesetzt, auf „Reise, Reise“ und „Moskau“ klimpert ein Akkordeon. Und für den Song „Amerika“ wurde der Kinderchor „Canzonetta“ eingesetzt. Als neue weibliche Stimme unterstützte Till diesmal die russische Sängerin Viktoria Fersh, die auf „Moskau“ Gesangsparts in ihrer Landessprache
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