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Bis dass der Tod uns scheidet

Bis dass der Tod uns scheidet

Titel: Bis dass der Tod uns scheidet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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milchschokoladenbraunen Mann in einem ausgeflippten Anzug aus olivgrünem Schlangenlederpolyester die breite Betontreppe hinunterkommen. Er hüpfte fröhlich, war schnell. Er hatte, wie ich, das Gefühl, einer schlimmen Lage entronnen zu sein. Als ich mich ihm in den Weg stellte, fragte ich mich, ob ich ebenso im Irrtum war wie er.
    »Tally Chambers?«, fragte ich mit freundlicher Stimme.
    »Wer will das wissen?« Sein Grinsen verschwand so schnell wie ein kleines weißes Kaninchen in einem tiefen schwarzen Loch.
    »Mein Name ist Leonid McGill«, sagte ich schnell. »Ihre Schwester Shawna hat mich engagiert. Sie hat mir das Geld gegeben, um die Kaution zu stellen.«
    »Shawna?«, fragte er und blieb entgegen all seiner Instinkte stehen.
    »Ihre andere Schwester, Chrystal, ist verschwunden, und Shawna dachte wohl, Sie könnten sie finden.«
    Tally Chambers’ Haar war kurz geschnitten, sein Kopf schlank, auf Schnelligkeit gebürstet. Er besah mich, wollte losrennen, machte sich aber Sorgen um seine Schwestern, und außerdem fragte er sich, wie das Geld aus deren Händen in meine gelangt war.
    »Ich verstehe nicht«, bekannte er ehrlich.
    »Shawna kam in mein Büro und meinte, Chrystal sei verschwunden«, erklärte ich mit meiner sachlichsten Stimme. »Sie meinte, sie mache sich Sorgen, Chrystals Mann habe sie entweder umgebracht, oder sie habe solche Angst vor ihm, dass sie abgehauen sei.«
    »Wie viel hat Shawna Ihnen bezahlt?«
    »Sie hat mir zwölftausend gegeben. Ich habe elfhundert genommen, um zehn Prozent Ihrer Kaution zu entrichten.«
    »Shit.« Tally wich vor mir zurück und wollte weitergehen.
    Ich berührte ihn mit dickem Finger am Arm und sagte: »Chrystal hat Shawna ein Collier mit Rubinen und Smaragden gegeben, das diese an eine Frau namens Nunn aus Indiana verscherbelt hat.«
    Er blieb stehen.
    »Nein.«
    »Hey, Mann. Ich stecke tief in Ihren Familienangelegenheiten. Ich versuche nicht, Ihnen weh zu tun. Gibt es irgendjemanden, der Sie so sehr hasst, dass er sich deswegen mit elftausend Dollar verschulden würde?«
    Einen Augenblick lang dachte er ernsthaft über die Frage nach. Gab es jemanden, der gutes Geld dafür zahlen würde, ihm weh zu tun oder ihn umzubringen? Ja oder nein?
    »Sie wissen, dass es niemanden gibt, Tally«, beantwortete ich selbst die Frage.
    Ich war Gedankenleser, und er glaubte fest daran. Wir gingen eine Verbindung ein. Nun musste ich ihm nur noch seine Geheimnisse entlocken.
    »Was genau wollen Sie von mir?«, fragte Tally und gab für den Augenblick meiner höheren, geldstarken Position nach.
    »Shawna wollte, dass ich Sie raushole«, erklärte ich.
    »Woher wusste sie das überhaupt? Ich hab sie schon seit Tagen nicht gesehen.«
    »Seit wie vielen Tagen?«
    »Vier … vielleicht fünf.«
    »Worüber haben Sie sich unterhalten?«
    Theodore Chambers wusste ganz genau worüber.
    »Weiß ich nicht mehr«, antwortete er. »Allen möglichen Scheiß.«
    Der Bursche wollte ein Geheimnis darum machen. Kein Problem für mich.
    »Als Shawna Chrystal nicht finden konnte, hat sie nach Ihnen gesucht«, sagte ich. »Als Sie nirgendwo aufzutreiben waren, kam sie zu mir. Ich habe die Stadt abgesucht und herausgefunden, dass Sie verhaftet worden sind. Das habe ich ihr gesagt, und sie meinte, ich soll sie rausholen.«
    »Und warum ist sie nicht selber gekommen?«
    »Bruder vermisst, Schwester vermisst, da ist sie lieber untergetaucht«, erklärte ich. »Ich weiß selbst nicht, wo sie ist. Sie ruft mich an, um sich auf dem Laufenden zu halten.«
    Während Tally über meine Story grübelte, besah ich ihn mir genauer. Das Weiße in seinen Augen wurde dunkler und war rot geädert. Er roch leicht modrig und keineswegs gesund.
    Wie um meine Wahrnehmungen zu untermauern, hustete er tief rasselnd.
    »Also, was wollen Sie, Mann?«, fragte er, als das trockene Husten nachließ.
    »Shawna will Ihnen helfen«, antwortete ich. »Sie hat mir gesagt, ich soll Sie aus dem Knast holen und Sie dann nach Ihrer Schwester fragen. Wenn Sie kooperieren, soll ich Ihnen einen Anwalt besorgen, der Sie aus dem Schlamassel befreit, und Ihnen zweitausendfünfhundert Dollar geben.«
    »Zeigen Sie mir das Geld«, sagte er, plötzlich ganz Ohr.
    Ich zog drei frische neue Hunderter aus der Tasche und gab sie ihm.
    »Das sind nur dreihundert«, meckerte er.
    »Anzahlung für das Gespräch, das wir führen.«
    Theodore »Tally« Chambers war neunundzwanzig. Das wusste ich aufgrund von Mardis Suche. Sein Gesundheitszustand ließ

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