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Bis dass der Tod uns scheidet

Bis dass der Tod uns scheidet

Titel: Bis dass der Tod uns scheidet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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waren oder noch darauf warteten, ein nagelneuer Laptop und eine Xbox.
    »Netter Computer«, sagte ich.
    »Chrystal hat mir das Zeug gegeben.«
    »Nett von ihr.«
    »Sie will mich nur fernhalten, also gibt sie mir Sachen, damit sie kein schlechtes Gewissen kriegt.«
    »Wer waren die Kerle?«, fragte ich.
    »Big Boy und Two Dog«, antwortete Tally. Er zog einen Klappstuhl aus der Ecke und stellte ihn mir hin. Er ließ sich auf die Pritsche plumpsen und sagte: »Die beiden haben mir Gras gegeben, zum Weiterverscherbeln, aber die Bullen haben mich erwischt und mir den Rest Stoff und die Kohle abgeknöpft. Die beiden wollen trotzdem ihr Geld, oder sie treten mir in den Arsch.«
    Ich stand noch immer und fragte mich, was ich aus diesem hoffnungslosen Bruder herauszuholen hoffte.
    In der Hütte roch es nach Tally – jener muffige Gammelgeruch, den man im Seitentrakt eines Krankenhauses findet, in dem die zahlungsunfähigen Patienten liegen.
    Ich setzte mich und fragte: »Was hat Chrystal gegen Sie? Sie sind doch beide Künstler.«
    »Gefallen Ihnen meine Zeichnungen?«, fragte er.
    »Sie haben viel Kraft. Meistens Porträts, hm?«
    »Ich mag Gesichter. Manchmal fahre ich den ganzen Tag U-Bahn und zeichne ein Gesicht nach dem anderen. Auf dem F-Train findet man jede Rasse der Welt.«
    »Haben Sie deshalb Probleme mit Chrystal?«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Vielleicht hat sie Angst vor der Konkurrenz«, meinte ich.
    »Das letzte Mal, als ich bei ihr war, ist irgendwas Silbernes verschwunden«, erklärte er. »Ich war’s nicht. Was will ich denn mit alten Gabeln und Löffeln? War wahrscheinlich einer der Hausangestellten, doch mir haben sie die Schuld gegeben, die zählen eh nur nach, wenn ich da war. Aber mit der Kunst haben Sie recht, Mann. Ich hab Dad als Erster gefragt, ob ich vielleicht ein Schweißgerät haben könnte, um Comicfiguren auf Stahl zu brennen. Er hat mir eins besorgt, aber nach ’ner Weile war Chrystal die ganze Zeit damit zugange. Sie hat es einfach genommen, und jetzt ist sie berühmt, hat ’nen reichen Mann geheiratet und beschuldigt mich als Dieb.«
    Um sein Missfallen noch stärker zum Ausdruck zu bringen, zog Tally seine Schlangenkunstlederjacke aus und ließ sie auf die splintigen Dielen fallen. Sein schwarzes T-Shirt betonte die dünnen und von jeglichem Muskel unbehelligten Arme. Seine Milchschokoladenlippen hingen geschlagen herab.
    »Sie wissen also nicht, wohin sie gegangen ist oder wie ich in Kontakt mit ihr komme«, sagte ich.
    »Wir reden nicht. Shawna meinte, Chrys ist in Urlaub gefahren oder so was.«
    »Hat sie Ihnen das vor vier, fünf Tagen gesagt?«
    »Keine Ahnung, Mann«, jammerte er. »Keine von meinen Schwestern kümmert sich um mich. Shawna will einen nur benutzen, und, und, und Chrystal will nichts von einem wissen.«
    »Chrystal hat Ihnen den Computer und die Konsole geschenkt.«
    »Aber sie kümmert sich nicht um mich. Sie lässt eine Nachricht da für Mr. Pelham. Sie muss nicht mal selber einkaufen gehen, sie sagt ihm nur, was er kaufen und wohin er es bringen soll. Und selbst der kommt nicht selber her. Dafür haben sie diesen weißen Nigger, Phil, der bringt’s vorbei. Er ruft auf dem Handy an, und ich muss rausrennen, um es an seiner Limousine abzuholen.«
    Ich konnte den Burschen verstehen. Ich verstand aber auch die Position seiner Schwester. Ich wusste nur nicht, wer meine Auftraggeberin war.
    »Und was ist das Problem mit Shawna?«, wollte ich wissen.
    »Warum?«
    »Sie hat mich engagiert, und Sie sagten, sie kümmert sich überhaupt nicht und versucht nur eine Show abzuziehen, von der ich nichts weiß«, erklärte ich. »Ich will genauso wenig benutzt werden wie Sie.«
    »Shawna grinst dir ins Gesicht und nennt dich ihren besten Freund, und wenn du ihr dann was erzählst, macht das schneller die Runde, als du niesen kannst. Sie ist neidisch und rachsüchtig und will noch nicht mal ihre eigene Mutter im Krankenhaus besuchen. Wenn sie das grün-rote Collier in die Finger gekriegt hat, dann hat sie’s bestimmt gestohlen. Und das Silberzeug auch, und dann hat sie Chrystal erzählt, ich wär’s gewesen. Da wett’ ich drauf.«
    Da war ich mir nicht sicher. Er klagte Shawna an, aber die Worte klangen irgendwie … unehrlich. Ich war mir sicher, er wusste mehr, aber jetzt waren nicht die Zeit und der Ort für eine intensive Befragung.
    »Sie wissen, dass Sie nicht hierbleiben können, Tally.«
    »Warum nicht?«
    »Weil Big Boy und Two Dog wiederkommen werden.«
    Tally

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