Bis dass ein Mord uns scheidet
Hau einfach ab!
Schnell huschte ich zwischen dem Doppelbett und der Kommode zu den Glastüren und versuchte, dabei keinen Lärm zu machen. Meine Laufschuhe voller Erbrochenem waren im Müll, also trug ich kleine weiße Stoffturnschuhe aus einem Billigladen. Sie waren dünn, aber leise. Meine rechte Hand umklammerte fest den Elektroschocker. Falls mich jemand erwischte, würde ich zuerst zuschlagen und erst dann Fragen stellen.
An der Tür betrachtete ich in der Dunkelheit den weißen Rahmen. Ich streckte meine Hand aus und suchte nach dem Türgriff. Es war einer dieser langen, großen, die man nach unten drücken musste. Ich drückte.
Abgeschlossen.
In meinem trockenen Rachen stieg Panik auf. Ich hörte keine raschelnden Geräusche vom Holzboden in der Küche mehr. Er war jetzt auf dem Teppich. Ich war mir sicher. Und er kam hierher. Es dauerte nur Sekunden, um durch den Flur ins Schlafzimmer zu gehen.
Die Angst sprang mir in den Nacken. Der Druck in meinem Hals würde bald zu einem Schrei werden. Ich tastete mit meiner freien Hand über den Türrahmen und suchte nach dem Schloss.
Den Elektroschocker behielt ich fest in meiner rechten Hand.
Da! Ich hatte das Schloss gefunden. Unter meinen Fingern fühlte es sich wie ein einfacher Riegel mit einem Schnappverschluss an.
Gerade als ich den Riegel umdrehte, bewegte sich mein Haar durch einen Lufthauch. O Gott! Jemand stand hinter mir! Mein Gehirn war vor schierer Angst wie betäubt. Mein Instinkt übernahm die Kontrolle. Ich hob den Elektroschocker hoch, drehte mich nach links und hob die rechte Hand. Der Schatten eines großen Mannes stand da.
Bevor meine Augen und mein Gehirn miteinander kommunizierten, rammte ich das Ende des Elektroschockers irgendwo an seinen Körper. An seinen Kopf? Seinen Nacken?
Ich wusste es nicht.
Abdrücken!
Meine Finger gehorchten, und ich drückte ab.
»Sam …«
Der Mann schwieg und brach am Boden zusammen.
Oh-oh. Ich starrte auf den Haufen am Boden, während ich seine Stimme in meinem Kopf hörte. Zitternd schaltete ich den Elektroschocker aus und steckte ihn weg. Danach holte ich meine Taschenlampe hervor. Ich schaltete sie an und senkte den Lichtstrahl auf den Mann am Boden.
Gabe. Er trug schwarze Jeans und ein schwarzes T-Shirt. Er war auf den Rücken gefallen, seinen linken Arm ausgestreckt und seinen rechten über die Brust geworfen, griff er nach mir.
Jetzt, da sein italienisches Temperament ausgeschaltet war, hatte ich ungefähr drei Minuten, um abzuhauen, bevor er aufwachte und mich mit der Hand, die er nach mir ausstreckte, erwürgte.
Ich hatte Gabe einmal versehentlich mit Pfefferspray voll gesprüht. Ich glaubte, dass ich kein zweites Mal mit einem Angriff auf ihn davonkäme.
Aber ich konnte ihn nicht liegen lassen. Was, wenn ich ihn richtig verletzt hatte? Was, wenn er nicht mehr atmete? Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Ich kniete mich hin und legte die Taschenlampe so auf den Boden, dass der Lichtstrahl auf sein Gesicht gerichtet war. Seine dunklen, glatten Haare fielen auf seine Stirn. Ich streckte meine Hand aus, um nachzusehen, ob er atmete.
Der Arm, der auf Gabes Brust lag, schoss hoch und packte mein linkes Handgelenk.
Ich schrie auf.
»Sch!« Seine geschlossenen Augen waren schmerzverzerrt.
»Gott, womit hast du mich erwischt?«
»Elektroschocker.«
»Himmel.«
Das fasste es in etwa zusammen. »Äh, na ja, tut mir Leid. Aber du hast dich an mich herangeschlichen.« Mein automatischer Verteidigungsmechanismus beschloss, ihm die Schuld zuzuschieben. »Ich dachte, du wärst der Mörder! Warum hast du nicht gerufen, damit ich wusste, dass du es bist?«
Ein Auge öffnete sich. Es war dunkel vor Wut.
»Äh, was machst du hier, Gabe? Woher sollte ich wissen, dass du herkommst?« Ich hoffte, ihn von den Racheplänen, die ihm im Kopf herumgingen, abzulenken.
»TJ hat mich angerufen, Babe.«
»Das hat er?«
»Du warst weg, als ich zu euch kam. Barney hat mir alles erzählt.«
»Du meinst, Grandpa hat dich hinter mir hergeschickt? Ich hatte hier alles unter Kontrolle.«
Das zweite Auge öffnete sich. »Klar. Deswegen liege ich auch auf dem Boden, und in meinem Kopf machen sechs oder sieben Dampfhämmer Überstunden.«
Ich griff an mein Handgelenk. »Deine Reflexe scheinen gut zu funktionieren.« Als mich ein Elektroschocker getroffen hatte, hatte ich Schwierigkeiten gehabt, meine Zunge zum Funktionieren zu bringen, von meinen Armen und Beinen ganz zu schweigen.
Er zog mich näher zu sich.
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