Bis die Daemmerung uns scheidet

Zettel und einem Stift. Er kritzelte eine Adresse auf das Papier und skizzierte einen Lageplan. Er notierte sogar, durch welche Türen man dort gefahrlos gehen konnte. Erst sah er Claire an, dann Myrnin, dann Eve und reichte den Zettel schließlich Myrnin.
    Dieser lächelte. »Oh, danke schön, Harry. Was für eine gute Entscheidung du getroffen hast.« Mit einem dumpfen Geräusch sprang er von der Sofalehne, zog seinen Trenchcoat an und setzte sich den Hut auf. »Ich glaube, wir können jetzt gehen.«
    »Nein«, sagte Eve. Sie streckte die Hand aus. »Handy. «
    Harry kramte in seinen Taschen und zog eins hervor. Eve warf es auf den Boden und trampelte so lange darauf herum, bis nur noch glitzernde Teilchen davon übrig waren.
    »Ihr Computer?«
    »Dahinten.« Er zeigte mit dem Finger darauf.
    »Myrnin, würden Sie bitte?«
    »Selbstverständlich. Ich sagte doch, dass ich nützlich bin.«
    »Dann zerstören Sie ihn. Claire, such seine Festnetzgeräte.«
    Am Ende ließen sie Harry jämmerlich in seinem schmutzigen Wohnzimmer zurück, zwischen kaputten Telefonen und zertrümmertem Computer-Equipment und mit der Anweisung, sich aus allem rauszuhalten, sonst … Claire war sich ziemlich sicher, dass die Botschaft bei ihm angekommen war. Und zwar laut und deutlich. Nur um sicherzugehen, fesselte ihn Eve jedoch noch mit Klebeband, sodass er wie eine silberne Mumie aussah.
    »Machen Sie sich keine Sorgen«, sagte Eve. »In etwa, ähm, drei Stunden rufe ich die Cops an und sage Bescheid, dass sie mal bei Ihnen vorbeischauen sollen. Von diesen Kakerlaken hier sieht keine besonders hungrig aus – das ist die gute Nachricht. Sie sind hinter der Pizza her, nicht hinter Menschenfleisch. Es wird Ihnen also gut gehen, Harry. « Sie tätschelte ihm den Kopf und lächelte so strahlend, dass Harry einen Moment lang ganz geblendet aussah. Eve war hübsch, und wenn sie auf diese Art lächelte, sah sie total umwerfend aus.
    »Tschau«, sagte sie. Er murmelte etwas durch sein Klebeband, und das war’s.
    Während Myrnin sie zurückfuhr (ein weiteres furchtbares Experiment im Dunkeln), tat Eve, was sie versprochen hatte, und rief in Hannah Moses’ Büro an, um von der ganzen Angelegenheit zu berichten.
    »Moment mal«, sagte Hannah. Die Polizeichefin von Morganville schien äußerst verblüfft. »Willst du damit sagen, dass ihr einen Einwohner Morganvilles, der unter Schutz steht, überfallen, terrorisiert und gefesselt zurückgelassen habt? Und jetzt wollt ihr, dass ich für euch hinfahre und nach ihm schaue? Habe ich das richtig verstanden?«
    »Ja«, sagte Eve. »Na ja, wie du das Ganze formulierst, klingt es nicht so nett, aber ungefähr so war es. Du sollst nur hinfahren, damit er nicht erstickt oder einen Herzinfarkt bekommt oder so. Außerdem gibt es dort jede Menge Kakerlaken, das bereitet mir ein wenig Sorgen.«
    »Dir ist schon klar, dass du hier gerade ein Verbrechen gestehst, Eve.«
    »Nein«, sagte sie. »Wir erledigen hier sozusagen etwas für Amelie. Verfolgen eine Spur. Sie wird, ähm, voll hinter uns stehen.« Dabei zog Eve die Augenbrauen nach oben und sah Claire fragend an. Claire zuckte mit den Schultern. »Außerdem ist Oliver sein Schutzherr und Oliver schert es bestimmt nicht, was wir getan haben. Wäre er vor uns bei Harry gewesen, hätte er da sicherlich noch viel gründlicher aufgeräumt, da bin ich mir ziemlich sicher.«
    Hannah schwieg einen Augenblick, dann sagte sie: »Ich erinnere mich an Zeiten, als das hier noch ein ruhiges Städtchen war. Das war schön.«
    »Ruhig war es hier nie, Hannah. Du bist nur nach Afghanistan gegangen.«
    »Und selbst dort war es ruhiger. Also gut. Ich werde nach eurem Gefangenen sehen. Was habt ihr Mädels jetzt vor?«
    »Willst du das wirklich wissen?«
    »Sollte ich nicht?«
    »Ähm … ich glaube, besser nicht«, schaltete sich Claire ein. »Sie würden sich nur verpflichtet fühlen, etwas dagegen zu unternehmen, aber im Moment ist es viel sicherer, wenn Sie sich einfach aus allem raushalten.«
    »Haltet ihr euch auch an euren eigenen Rat?«
    »Das können wir nicht«, sagte Claire. »Shane und Michael stecken in Schwierigkeiten. Und wir holen sie da raus.«
    »Seid ihr sicher, dass ich euch dabei nicht helfen kann?«
    »Ja«, sagte Eve. »Da bin ich mir sicher. Wir haben schon mehr Hilfe als wir vertragen können.«
    Myrnin riss das Lenkrad mit einer scharfen Bewegung herum, sodass die Mädchen auf dem Rücksitz durcheinanderpurzelten. Eve hätte fast das Handy fallen