Bis die Daemmerung uns scheidet
hinaus, rannte einen halben Block weiter und lehnte sich an die rauen Backsteine zwischen zwei Schaufenstern. Sie schloss die Augen und konzentrierte sich darauf, zu atmen und ihr Zittern unter Kontrolle zu bekommen. Schließlich steckte sie sich wieder die Ohrstöpsel in die Ohren. Dank ihren bebenden Fingern brauchte sie zwei Versuche dafür.
»Ich habe überhaupt nichts kapiert«, sagte sie zu Frank. »Ich wusste nicht, dass sie das tun kann, dass sie mich so empfinden lassen kann. Ich wusste nicht, dass irgendjemand das kann. Bishop konnte das nicht.«
»Es ist eine ziemlich seltene Fähigkeit, selbst unter Vampiren«, sagte Frank. »Ich weiß nur von dreien oder vieren, die sie hatten. Zwei davon habe ich erledigt. Ein Jammer, dass ich die Sache nicht zu Ende gebracht habe.«
»Ich wusste nicht mal, was sie da macht. Ich hatte keine Möglichkeit, dagegen anzukämpfen.« Claire holte tief Luft. »Danke, dass Sie mich da herausgerissen haben.«
»Sie hat sich überhaupt nicht angestrengt«, sagte Frank. »Wenn sie sich angestrengt hätte, wärst du da nicht so einfach wieder herausgekommen. Wie sie schon sagte – sie hat nur gespielt.«
Das war schrecklich. Schrecklich. Claire fühlte sich elend und schmutzig, als hätte sie ein paar Liter Abwasser getrunken. Sie hätte sich am liebsten übergeben, als sie daran dachte, wie einfach es gewesen war, sie als Marionette zu benutzen. »Es hat nichts geholfen«, sagte sie. »Wir haben nichts herausgefunden.«
»Vielleicht doch«, sagte Frank. »Sie hat erwähnt, dass sie Shane im Fitnessstudio gesehen hat, nicht wahr?«
»Na und? Selbst ich war im Fitnessstudio. Eve auch. Viele Leute gehen dorthin. Einschließlich Vampire.«
»Aber warum sollte Glory dorthin gehen. Sie kämpft nicht. Sie lässt andere für sich kämpfen.« Frank klang seltsam zerstreut. »Ich bin die Vampire Morganvilles mal durchgegangen. Sieht aus, als wären ein paar von ihnen nicht ihrer üblichen Routine nachgegangen.«
»Sie meinen … Sie meinen, sie werden vermisst?«
»Diesen Schluss würde ich daraus nicht ziehen, aber ich habe fünf – nein sechs – gefunden, die nicht ihren üblichen Mustern folgen.«
»Na ja, ein paar sind weggegangen. Mit Morley. Sie sind in Blacke, der kleinen Stadt außerhalb von …«
»Ich weiß Bescheid über Morley. Ich spreche nicht von seinen Leuten, sondern von anderen Vampiren, die sich in den letzten drei Wochen nicht haben blicken lassen. Keine Abmeldungen in den Blutbanken. Sie sind nicht zur Kontrolle erschienen. Sie kommunizieren überhaupt nicht mehr über Telefone oder Computer.«
»Wie kommt es, dass Vampire einfach verschwinden? Wer sind sie?«
»Kleine Lichter in der Hierarchie Morganvilles. Ganz gewöhnliche Vampire der Arbeiterklasse. Und vermisst werden sie nicht besonders. Vampire verkehren zwar miteinander, aber nicht so wie Menschen. Sie sind daran gewöhnt, sich gegenseitig lange nicht zu sehen. Das wirft keine Fragen auf.«
»Wer sind sie denn dann?«, fragte Claire. »Stehen sie in irgendeiner Verbindung zu Bishop?«
»Nicht dass ich wüsste. Eigentlich sieht es so aus, als würden sie im Konflikt mit Bishop auf Amelies Seite stehen.« Frank schwieg einen Moment, dann sagte er: »Es stört mich, dass ich keinen Einblick in dieses Fitnessstudio habe. Ich kann innerhalb dieses Gebäudes nichts sehen oder wahrnehmen.«
»Was?«
»Es ist ein Neubau. Keine Kameras. Keine Portale. Keine Möglichkeit zu beobachten, was dort vor sich geht. Dabei scheint es so, als würden dort irgendwie die Fäden zusammenlaufen. Ich wünschte, ich hätte dort irgendwelche Geräte.«
»Innerhalb des Fitnessstudios.« Sie dachte einen Augenblick nach. »Und Sie wollen jetzt … was? Kameras dort installieren?«
»Was, hast du Angst, als meine Spionin zu fungieren?« Frank klang jetzt belustigt. »Ich kenne dich doch – das wird dich nicht aufhalten. Ich habe noch nie einen jungen Menschen gesehen, der tief in seinem Inneren so furchtlos ist. Nicht einmal mein Sohn ist das.«
Shane. Claire fiel wieder ein, dass Glory von ihm gesprochen hatte, und sie fühlte sich ein bisschen elend – nicht weil Gloriana ihn anschmachtete, so wie Ysandre früher, sondern eben weil sie es nicht tat. Weil Shane für sie nichts weiter als ein Stück Fleisch war, etwas, das vielleicht noch von Nutzen sein konnte. Oder auch nicht.
Was immer da vor sich ging – Gloriana steckte bis zu ihrem hübschen Hals mit drin, da war sich Claire sicher.
»Also gut«, sagte
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