Bis die Daemmerung uns scheidet
wie eine ganz andere Person. »Die Zeit, bis Amelie dahinterkommt, was wir hier machen, ist begrenzt. Sie hat überall ihre Spione und ich bin mir fast sicher, dass es auch Überwachung gibt. Weißt du genau, dass wir hier abhörsicher sind?«
»Das weiß ich genau«, sagte Wassily. »Das Mädchen, das uns die Verschlüsselung gegeben hat, war eine der besten. Sie hat monatelang Videomaterial aus Morganville übertragen, ohne dass jemand Verdacht schöpfte. Gegen ein paar Gefälligkeiten hat sie den Code modifiziert, um sicherzustellen, dass niemand diese Aktualisierung entdeckt. Das Geld strömt bereits herein, meine Liebe. Der Plan funktioniert sehr gut.«
»Und der alte Mann? Ist er angetan?«
Alter Mann. Das klang ominös und erinnerte mich an Dinge, von denen ich gehofft hatte, dass ich nie wieder an sie denken müsste. Bestimmt handelte es sich nicht um denselben alten Mann. Nein, sicherlich sprachen sie von irgendeinem anderen Vamp. Alt waren sie alle, älter als die Erde, und innen waren sie schwarz und verrottet. Das wusste ich.
»Angetan würde ich vielleicht nicht sagen. Er ist … erst mal zufrieden und wartet. Ich habe beträchtlichen Aufwand betrieben, um falsche Fährten zu legen, seit diese verheerende Einmischung Amelies Aufmerksamkeit erregte. Ich glaube, ich konnte ihn davon überzeugen zu warten, bis wir angemessene Mittel für die nächsten Schritte haben.«
»Er ist unberechenbar. Du musst ihn im Auge behalten. Er ist mir davongelaufen und hat versucht, Myrnin umzubringen. Wenn ihm das gelungen wäre …«
»Ich weiß. Ich habe ihn wieder eingesperrt. Zu seinem eigenen Schutz.«
Glory lachte. »Oh, das wird ihm nicht gefallen. Schütz dich lieber selbst, Wassily.«
»Ich habe ihn mit Feinden gefüttert«, sagte Wassily. »Ich glaube, er ist fürs Erste satt. Was glaubst du – wie lange wird es dauern, bis der Junge bereit ist?«
»Oh, dass er kämpfen wird, steht außer Frage, aber es gefällt mir nicht, ihn gehen zu lassen. Seine Freunde, dieses Mädchen – sie könnten alles ruinieren.«
»Oder alles, was er gelernt hat, festigen«, sagte Wassily. »Ich glaube daran, dass es sich lohnt, Risiken einzugehen.«
»Nun, du trägst das Risiko«, sagte Glory. »Natürlich tue ich, was ich kann.«
»Das hat seinen Preis.«
»Keiner arbeitet umsonst, Schätzchen.«
Als ich die Augen aufschlug, beugte sich Glory gerade über mich. Ihr Lächeln war wie eine Droge und ihre Finger auf meiner Stirn fühlten sich wie die Berührung eines Engels an.
»Schlaf«, flüsterte sie. »Träum von Feuer und Stärke und denk immer daran, was dir diese Stadt alles genommen hat. Lass nicht zu, dass sie dir auch noch den Rest nimmt, Shane. Alles andere ist unwichtig. Nur eins noch: Michael meint es nicht gut mit dir. Er ist nicht dein Freund. Du kannst ihm niemals restlos vertrauen. Verstehst du?«
»Ja«, sagte ich. Das wusste ich bereits, das hätte ich niemals vergessen. Vampiren kann man nicht trauen.
Abgesehen von Glory.
Ich lächelte immer noch, als ich einschlief, und ließ mich in der Wärme ihrer Berührung einfach fallen.
9
A ls Shane nach Hause kam, wirkte er ganz normal. Er brachte sogar Rinderbrust mit und alle vier Freunde aßen gemeinsam, als wäre nie etwas vorgefallen. Selbst Michaels undurchsichtige »Saft«-Flasche brachte ihn nicht aus der Fassung.
Alles, woran Claire denken konnte, war, dass sie sich hinsetzen und ihm von dem Anruf erzählen musste. Aber sie wusste nicht, was sie sagen sollte, und wollte es auch nicht vor Eve und Michael tun. Es musste persönlich sein.
Doch später, als sie oben in seinem Zimmer waren und Claire sich an ihn geschmiegt hatte, schien reden nicht mehr wichtig zu sein. Nachdem sie stundenlang Arm in Arm dagelegen und sich geküsst hatten und sie es nicht einmal geschafft hatte, mit dem Gespräch überhaupt zu beginnen, schlief sie schließlich ein. Als sie wieder aufwachte, trug er sie gerade in ihr Bett und deckte sie zu.
»Shane?«, murmelte sie. Er beugte sich zu ihr herunter, sodass seine langen, zotteligen Haare über ihr Gesicht streiften.
»Ja, ich bin’s«, murmelte er zurück. »Oder hast du jemand anderes erwartet?«
Sie lächelte. »Nur dich.«
»Gutes Mädchen.« Er gab ihr einen trägen, feuchten Kuss, der sie bis hinunter in die Zehen mit Wärme erfüllte.
»Shane, ich habe nachgedacht …«
»Worüber?«
»Darüber …« Sie wollte das nicht tun – sie wollte es wirklich nicht. Nicht jetzt, da alles gerade so schön war.
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