Bis die Daemmerung uns scheidet
sie. »Sie wollen Einblicke ins Fitnessstudio – ich werde dafür sorgen, dass Sie die bekommen. Irgendwie.«
SHANE
Es fühlte sich an, als würde ich Claire betrügen und ich kam nicht dahinter, warum es sich so anfühlte. Alles, was ich tat, war kämpfen … und ich machte meine Sache verdammt gut. Jester hatte nicht total die Matte mit mir geschrubbt und ich war immer in der Lage weiterzumachen. Wenn ich müde wurde, reichte mir Wassily noch mehr Proteinshakes. Mir gefiel die Art und Weise nicht, wie er mich beobachtete; wie der stolze Besitzer eines Pitbulls im Ring … aber das bedeutete nicht, dass ich nicht gern im Ring war.
Warum setzte ich mich dann in der Pause mit meinem Handy hin, um Claire eine SMS zu schreiben? Es war, als würde ich hier draußen ein anderes Mädchen küssen und hatte das Gefühl, ich müsste Claire sagen, dass ich sie liebe, ganz egal, was ich getan hatte. Auch wenn ich etwas getan hatte, was ihr nicht gefällt.
Und das hier würde ihr nicht gefallen. Daran zweifelte ich absolut nicht.
»Hey, Fleischklops! Bist du endlich fertig mit Knöpfchendrücken?« Das war Jester, der im Ring herumtanzte und blitzschnell in die Luft boxte. Er war dünn und bleich wie ein toter Fisch. »Ich bin bereit, deine zu drücken!«
Ich zeigte ihm den Mittelfinger, schickte die SMS ab und nahm noch einen Schluck von meinem Proteinshake. Wie von Zauberhand verschwanden meine Schmerzen. Nicht dass die Verletzungen unbedingt geheilt waren … vielleicht war alles weniger schlimm, als es sonst gewesen wäre, aber ich würde morgen Blutergüsse haben. Und zwar eine ganze Menge.
Aber von Schmerzen darf man sich nicht aufhalten lassen. Das habe ich ein Mal zugelassen, nämlich als unser Haus in Flammen stand. Ich hatte die Türklinke zu Alyssas Zimmer angefasst und mir die Hand verbrannt. Deshalb bin ich nicht weitergegangen. Ich habe sie nicht gerettet. Ich habe zugelassen, dass sie mich aus dem Haus schleiften, während sie dort drin verloren war.
Ich werde nie vergessen, welchen Preis es hat zu versagen. Auch Dad hat dafür gesorgt, dass ich es nie vergaß.
Schmerzen waren gut. Schmerzen machten stark und motivierten. Wenn man Schmerzen hatte, fühlte man sich lebendig.
Vor allem, wenn ich mich einem Vamp gegenübersah, der mir eine Lektion erteilen wollte.
Der Rest des Nachmittags verging wie im Flug. Oft landete ich auf der Matte und es war schwer, wieder aufzustehen und weiterzumachen. Einige Leute – Menschen und Vamps – versammelten sich und schauten zu, wie Jester und ich uns die Zähne aneinander ausbissen. Er war schneller und stärker als ich, aber ich gab nicht auf.
Schließlich sagte Wassily, dass ich aufhören sollte. Er klopfte Jester auf die Schulter und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Jester grinste, duckte sich unter den Seilen durch und verschwand. Und mein ganzer Kampfgeist … floss einfach aus mir heraus. Ich fiel auf die Knie und schnappte würgend nach Luft. Ich schmeckte Blut in meinem Mund und hörte ein seltsames Summen. Noch nie in meinem Leben hatte ich mich so schlecht gefühlt, nicht mal, als ich im Krankenhaus lag und fast abgekratzt wäre.
Es war, als hätte ich Teile von mir selbst aufgefressen, um auf den Füßen zu bleiben. Jetzt fluteten die Schmerzen und die Leere wieder in mich zurück, überschwemmten mich, sodass ich mich am liebsten einfach hingelegt hätte und gestorben wäre.
Wassily reichte mir wieder eine Sportflasche. Ich wollte sie nicht, aber ich konnte nicht anders. Ich trank daraus. Danach fühlte ich mich besser – zumindest wollte ich nicht mehr sterben. Er überprüfte meine Augen und nickte. »Das kommt wieder in Ordnung«, sagte er geschäftsmäßig. »Dehydrierung und Erschöpfung. Noch vier von diesen Getränken und es geht dir gut, aber leg dich jetzt zwei Stunden hin, bevor du nach Hause gehst. In dem Raum dorthinten gibt es Pritschen. Ruh dich aus.«
»Danke«, murmelte ich. Ich empfand keine Dankbarkeit. Eigentlich empfand ich gar nichts, außer dass ich mich innerlich schmutzig und schuldig fühlte. Was zum Teufel hatte ich gemacht? Warum hatte ich das gemacht? Nicht einmal das wusste ich. Ich wusste nur, dass es sich so angefühlt hatte, als würde ich dabei gegen alle schlimmen Dinge kämpfen, die ich in meinem Leben durchgemacht habe. Ich kämpfte für meine Schwester, meine Mutter und sogar für meinen Dad. Für Claire, die in dieser verdammten Stadt gefangen war. Für Michael, der gegen seinen Willen zum Vamp gemacht worden
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