Bis die Daemmerung uns scheidet
Claire empfunden haben, eine machtvolle Woge des Unheils, denn sie sprangen beide auf die Füße. »Mir, ist alles in Ordnung?«
»Oh«, sagte Miranda. In ihren Augen standen jetzt Tränen, sie liefen ihr über die geschundenen Wangen. »Oh, das ist schlimm. Ihr müsst es beenden. Ihr müsst ihn aufhalten.«
»Wen müssen wir aufhalten?«
»Er versteckt sich im Dunkeln. Er tötet. Er tötet die ganze Zeit«, sagte Miranda. Und dann rollte sie die Augäpfel nach hinten in ihre Höhlen und fiel in eine tiefe Ohnmacht, direkt am Frühstückstisch.
Bishop, dachte Claire wie erstarrt, während Eve einen Schrei ausstieß, zu Miranda rannte und ihren Puls fühlte. Claire schien sich nicht rühren zu können. Ihr war eiskalt und sie fühlte sich elend.
»Hilf mir!«, schrie Eve sie an. Claire blinzelte und eilte ihr zu Hilfe. Sie trugen Miranda ins Wohnzimmer, wo sie ihre Füße höher lagerten als ihren Kopf und sie mit einer warmen Decke zudeckten, bis Mirandas zarte Augenlider flatterten und sie wieder zu sich kam.
»Oh«, sagte sie. »Bin ich gefallen?«
»Eher umgekippt«, sagte Eve. »Wie geht es dir?«
»Mir ist übel«, sagte Miranda. Ihre Stimme klang dünn und ein wenig schwach. »Zu viel Kaffee.« Sie holte ein paarmal tief Atem und lächelte. »Ich habe nicht genug gegessen.«
Ja, das war nichts Neues. Miranda war zu dünn, Claire konnte an ihren Gelenken die Knubbel der Knochen erkennen. Das Mädchen brauchte Sandwiches. »Ich mache dir etwas«, sagte sie.
»Nein, ich muss jetzt gehen.«
»Aber Mir …«
»Ich muss gehen«, sagte sie, warf die Decke von sich und setzte sich auf. Sie sah kreidebleich und elend aus, aber zu allem entschlossen. »Ich kann eure Fragen nicht beantworten. Es ist zu gefährlich.«
»Für dich?«, fragte Eve.
Miranda schüttelte den Kopf. »Für euch«, sagte sie. »Ihr steckt schon tief genug in Schwierigkeiten.«
Letzten Endes war es nicht möglich, sie aufzuhalten. Alles, was Claire tun konnte, war, ihr noch ein paar Brötchen mit Erdnussbutter und Marmelade zu bestreichen und Eves Schokokeksevorrat zu plündern. Miranda umklammerte ihre Essenstüte und schaffte es zu lächeln, während sie langsam und vorsichtig zwischen ihnen auf die Tür zuging. Eve hielt sich dicht neben ihrem Ellbogen, aber sie wirkte stabil genug.
»Ich kann nicht bleiben«, sagte Miranda und blickte zuerst Claire, danach Eve in die Augen. »Michael hat recht. Ich bringe euch nur Probleme. Ich bringe allen Problemen, deshalb ist es besser, wenn ich allein bin. Es geht mir wieder gut.«
»Bist du sicher?«
Miranda nickte. Auf der Veranda blieb sie stehen. Sie sah aus, wie ein trauriges kleines Mädchen auf dem Weg zur Schule. »Dieses Mal wird er nicht aufhören. Claire, du musst das verstehen, es ist nicht so wie früher. Das hier ist Krieg. Amelie wird in den Krieg ziehen.«
Amelie ist letztes Mal schon in den Krieg gezogen, dachte Claire, aber es lag etwas so Aufrichtiges in Mirandas Sorge, das sie beklommen machte und ihr den Atem nahm.
Shane. Shane war inmitten von alldem gefangen. »Mir, gibt es noch etwas, was du mir erzählen kannst …?«
»Nein. Nichts, was dich nicht umbringen wird.« Miranda hob die Tüte. »Danke für die Sandwiches. Und die Kekse. Die werden mir wirklich schmecken.«
Dann ging sie in den grauen, eisigen Tag hinaus und sie sahen ihr beide nach, bis sie außer Sicht war.
»War das jetzt schlecht?«, fragte Eve. »Ich meine, sie ist nur ein Kind. Wir hätten sie hierbehalten sollen.«
»Ich glaube nicht, dass wir das gekonnt hätten«, sagte Claire. »Und wahrscheinlich hat sie recht: Es ist sicherer für alle, wenn sie geht.«
Trotzdem konnte sie es nicht vergessen … dass Miranda allein war mit all dem, was in ihrem Kopf vor sich ging. So einsam sich Claire auch manchmal fühlte, sie war nicht annähernd so isoliert.
Ich wünschte, ich wüsste, wie man ihr helfen kann.
Die Wahrheit war aber, dass man manchmal einfach nichts tun konnte.
SHANE
Nachdem ich mit dem Kämpfen angefangen hatte, konnte ich in den folgenden paar Tagen an nichts anderes mehr denken. Es gab nichts Besseres, vor allem wenn Gloriana mit Wassily da war und zuschaute. … Ich fühlte mich unbesiegbar. Selbst die Schläge waren für mich eine Art der Anerkennung. Jedes Mal, wenn Jester mich traf, fühlte es sich an wie ein Schulterklopfen und eine Einladung, beim nächsten Mal noch härter zuzuschlagen.
Also tat ich es.
Ja, ich wunderte mich schon über die Sportdrinks, die Gloriana
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