Bis die Daemmerung uns scheidet
im Kühlschrank aufbewahrte. Wir alle tranken sie und es wurde dadurch leichter, mit den Vamps mitzuhalten. Ein Teil von mir fragte sich zwar, was sie wohl enthielten, aber das war nun ein kleiner Teil und er wurde von dem anderen überdeckt, der begeistert war von all der Freiheit. Die Freiheit, all die Dinge auszuleben, die ich immer zurückgehalten hatte. Die Freiheit zu hassen. Die Freiheit zu zerstören. Keine Regeln; kein Gewissen. Ich kämpfte jetzt wie sie.
Denn das war es, was es brauchte, um sie zu schlagen. Man musste wie ein Tier kämpfen, ohne jede Furcht.
»Du bist schnell«, sagte Jester am letzten Tag des vorgesehenen Trainings. »Und du wirst immer schneller. « Er grinste mich an und der Anblick seiner Eckzähne ließ meinen Puls in die Höhe schnellen – nicht vor Angst, sondern vor Aggressivität. Weil ich diese Eckzähne am liebsten abgebrochen und ihm dieses höhnische Grinsen aus dem Gesicht gewischt hätte. »Du solltest dich beißen lassen«, sagte er. »Du wärst ein guter Vampir. «
»Halt die Fresse und kämpf!«
»Was ist denn los? Hast du Angst, du würdest deine magere kleine Freundin beißen?« Jester lachte. »Sie gehört bereits einem anderen, weißt du das? Ich rieche es an ihr. Er hat sie gekennzeichnet.«
Myrnin.
»Halt die Klappe«, sagte ich und trat ihm ins Gesicht. Das hatte er nicht erwartet und ging zu Boden, aber Vampire bleiben nie lang auf der Matte. Er sprang auf und fauchte. Ich tänzelte zurück und beobachtete seine Gewichtsverlagerungen. Er würde sich auf mich stürzen.
Als er es tat, schlug ich schnell zu, duckte mich unter seinem Ansturm, rammte die Schulter in seinen Schwerpunkt und hob ihn hoch. Ohne Hebelkraft war er nicht viel besser als ein normaler Mensch, aber ich musste mich vor seinen Händen in Acht nehmen. Sie konnten Knochen brechen und seine Fingernägel waren messerscharf. Ich ließ ihn hinter mich auf den Kopf fallen und hielt seine Arme hinter seinem Rücken fest. Es musste wehgetan haben, denn zum ersten Mal hörte ich so etwas wie einen Schmerzensschrei von ihm.
Von einem Vampir.
Ich fühlte mich großartig.
Jemand klatschte. Es war Gloriana, die mir – anmutig an die Seile gelehnt – zuschaute. »Das war wunderbar«, sagte sie. »Armer Jester. Ich glaube, er wurde gerade deklassiert, Shane. Du solltest ihn jetzt wieder aufstehen lassen. Ich denke, er hat seine Lektion gelernt. Findest du nicht auch?«
Ich verdrehte seine Arme noch fester und spürte etwas reißen. Dieses Mal brüllte Jester.
»Genug!«, bellte Wassily und duckte sich unter den Seilen durch. Er packte mich an den Schultern und zog mich weg. »Ich brauche ihn mehr, als ich dich brauche, Junge.«
Ich ließ los, denn gegen Wassily kämpfte man nicht. Das tat man einfach nicht. So lautete die Regel, eine der wenigen Regeln, die jetzt noch übrig waren. Gloriana und Wassily waren tabu.
»Ah«, sagte Wassily. »Er schaut zu.« Darüber klang er nicht besonders glücklich. Ich blickte auf und glaubte oben hinter einer dicken Glasscheibe, einen Schatten zu erkennen. Ein abgehärmtes, dünnes Gesicht, alt und bleich, das mir beinahe bekannt vorkam, aber es verschwand mit einer schnellen Bewegung. Wassily seufzte. »Hast du das gesehen, Shane?«
Ich nickte.
»Das habe ich befürchtet. Glory, würdest du bitte?«
Alles verschwamm, alle klaren Umrisse und die Erinnerungen in meinem Kopf. Weg. Was immer es war, woran ich mich hätte erinnern sollen … es fiel mir nicht mehr ein.
Reflexartig blickte ich zu dem Fenster hinauf, aber ich konnte nichts sehen. Wahrscheinlich war es nur eine Spiegelung gewesen.
»Das ist zu öffentlich«, sagte Glory zu Wassily. »Wir müssen die Operationen früher als geplant durchführen – für den Kampf zumindest.«
»Ja«, sagte er. »Und für alle Fälle sollten wir auch eine dritte Option haben. Ich will nicht, dass jemand uneingeladen auf unsere Party kommt. Hast du Listen mit Leuten, denen wir trauen können, um die Sitzplätze zu füllen?«
»Wenn wir erst mal mit dieser Stadt fertig sind, wirst du jedem trauen können.« Sie lachte. »Aber ja. Es gibt verlässliche Quellen. Wir sind ganz dicht dran.«
»Gut«, sagte Wassily und klopfte mir dabei auf die Schulter. »Geh duschen, Shane. Du bist jetzt fertig.«
Es war an einem Donnerstag, an dem alles zusammenstürzte. Erstens kam Shane spät nach Hause, sehr spät. Als er endlich da war, brachte er Essen mit – wieder Grillzeug, aber mit Gemüse und allem. Womit er sich
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