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Bis die Daemmerung uns scheidet

Bis die Daemmerung uns scheidet

Titel: Bis die Daemmerung uns scheidet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Caine
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und lasse dich danach laufen. Wenn du dich wehrst und es schlimm wird, dann hole ich das Messer raus. Haben wir uns verstanden?«
    »Ja.«
    Claire versuchte wieder, sich zu bewegen, denn sie wusste mit albtraumhafter Sicherheit, was gleich passieren würde und dass sie etwas unternehmen musste, aber wieder machte Miranda diese Bleib-wo-du-bist- Geste.
    »Es ist okay«, sagte Miranda mit unheimlich leerer, entrückter Stimme. »So schlimm weh tut das nicht.«
    »Quatsch«, sagte Gina und musste wohl zugeschlagen haben, denn Claire hörte das saftige Knirschen des Schlages, Mirandas dünnen hohen Schrei und einen zu Boden fallenden Körper.
    Gina lachte. Claire stieß sich von der Wand ab, aber es war zu spät. Gina entfernte sich bereits und summte dabei vor sich hin. Wenn sie keine hohen Absätze gehabt hätte, wäre sie bestimmt gehüpft.
    Miranda stand schon wieder auf und hielt sich mit einer Hand die gebrochene blutige Nase. Claire war wütend und schockiert und bebte von der plötzlichen Adrenalin-Welle aus Frust. Sie wollte Gina hinterherlaufen, doch Mir hielt sie fest und schüttelte vehement den Kopf – dabei spritzte etwas von dem Blut, das aus ihrer Nase lief, auf Claires neues rosa-weißes Oberteil. Claire machte das nichts aus. Sie kauerte sich neben das Mädchen, half ihm aufzustehen und hielt es fest.
    »Dieses Miststück!«, sagte Claire. »Du bleibst hier. Ich werde …«
    »Nein!«, sagte Miranda. Ihre Stimme klang gedämpft und kleinlaut, aber ihre Augen waren groß und glühten. »So ist es am besten. Es ist nur meine Nase. Sie würde uns umbringen.«
    »Dann rufen wir die Cops. Damit lasse ich sie nicht durchkommen …«
    »Ach, mach dir darüber keine Gedanken. Sie wird nicht damit durchkommen«, sagte Miranda. Claire war sich fast sicher, dass sie unter all dem Blut lächelte. »Sie wird in ihr Auto steigen und richtig schnell fahren. In zwei Minuten fährt sie über eine rote Ampel. Daraufhin wird sie von einem großen Lastwagen gerammt werden. Meine Nase kommt wieder in Ordnung. Aber sie kommt ins Krankenhaus und dort wird sie eine ganze Weile bleiben.«
    Claire starrte sie an – dieses kleine, verletzliche Mädchen mit dem blutigen Gesicht und dem Furcht einflößenden Lächeln. Schließlich sagte sie langsam: »Mir, hast du geplant, dass das passieren wird?«
    »Nein«, sagte Miranda. »Aber manchmal geschieht einfach das Richtige. Es wäre jedoch nicht richtig gewesen, wenn du mir zu Hilfe gekommen wärst. Sie hätte mich auf der Stelle erstochen und dann dich. Und sie wäre auch gestorben, aber später und viel grausamer. Amelie hätte das nicht gefallen.«
    Das war faszinierend und irre, aber Claire glaubte ihr, und zwar jedes einzelne verrückte, Furcht einflößende Wort. Nur mit Mühe konnte sie das alles wieder abschütteln. Dann führte sie Miranda zurück in den Secondhandladen, wo die Verkäuferin ihr half, sich zu säubern, und ihr Papiertaschentücher für ihre Nase gab. Auch Claire half sie dabei, sich das Blut aus dem Oberteil zu waschen.
    Dabei hörte Claire in der Ferne ein Auto hupen, es folgte ein Krachen und danach Stille. Sie blickte zu Miranda hinüber, die den Kopf in den Nacken gelegt hatte, um die Blutung zu stillen, und Miranda sah sie an und zuckte mit den Schultern.
    »Karma«, sagte sie. »Karma ist eine Schlampe.«
    Miranda hatte in Bezug auf Gina voll ins Schwarze getroffen; nicht dass Claire irgendwelche Zweifel gehabt hätte. Der Unfall war noch tagelang Stadtgespräch in Morganville, der Tenor war meist so etwas wie »juhu, endlich«. Gina hatte es verdient, auch wenn sich Claire nicht direkt darüber freute. Gina würde wegen ihrer gebrochenen Beine Wochen im Krankenhaus und Monate in der Reha verbringen müssen.
    Miranda kam am nächsten Morgen zum Kaffee vorbei und am Morgen danach auch, als wäre das so geplant gewesen. Wahrscheinlich hielt sie es für unausweichlich, was es auch war, nachdem sie selbst damit angefangen hatte. Eine Prophezeiung, die sich selbst erfüllte. Eve fand es schräg, aber sie akzeptierte es, wie sie die meisten Dinge akzeptierte. Es war nicht so, dass sie Miranda nicht mochte, sie konnte nur nichts mit ihr anfangen. Aber sie war fasziniert von Mirandas hellseherischen Fähigkeiten.
    Allerdings war sie ebenso fasziniert und schockiert von den spektakulären Blutergüssen um Mirandas Augen. Sie hatte zwei Veilchen und eine geschwollene Nase, die im Krankenhaus wieder gerade gerichtet worden war. »Du siehst schrecklich aus«,

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