Bis die Daemmerung uns scheidet
sagte Eve am zweiten Morgen. »Was für eine Farbe ist das? Aubergine? Du siehst aus, als hättest du Spezialeffekte im Gesicht, Mir.« Sie schenkte Miranda eine Tasse Kaffee ein und stellte Milch und Zucker daneben.
»Es ist okay«, sagte Miranda. Ihre Stimme klang ein wenig gedämpft und verstopft, aber sie lächelte. »Es ist nur ein Bluterguss. Weiter nichts.«
»Sieht aber aus, als würde es wehtun.« Eve sah sie mit gerunzelter Stirn über ihre Kaffeetasse hinweg an. »Im Ernst, wenn es Gina nicht schon erwischt hätte, dann würde ich sie mir mal vorknöpfen. Das meine ich ernst.«
»Ich weiß«, sagte Miranda. »Danke. Aber es geht mir gut. Echt.«
Michael kam durch die Schwingtür herein und lächelte Eve an. Sein Lächeln wurde ein wenig brüchig und seltsam, als er Miranda entdeckte. Sie sah ihn nicht an. »Hi, Mir«, sagte er. Es klang ganz lässig, aber Claire hatte diesen ersten, unverstellten Blick gesehen. Michael nahm seine Sportflasche aus dem Kühlschrank und wärmte sie in der Mikrowelle auf. Dann ging er hinaus.
Claire stand auf und folgte ihm ins Wohnzimmer. »Hey«, sagte sie. »Warte. Was sollte dieser Blick?«
»Welcher Blick?«, fragte Michael, bemüht, unschuldig zu klingen. Er nahm einen Schluck aus der Sportflasche und rote Funken blitzten in seinen blauen Augen auf. »Ich frage mich nur, was sie hier macht.«
»Kaffee trinken.«
»Ja, das sehe ich. Warum?«
»Ach, komm schon, Michael …«
»Ich will ja nicht wie ein asozialer Mistkerl klingen, aber Miranda bedeutet immer Ärger«, unterbrach er sie. »Hör mal, ich habe Mitgefühl mit der Kleinen – wirklich –, aber du musst verstehen, dass es … dass es nicht sicher ist, mit ihr herumzuhängen. Dinge passieren. Das war schon immer so.«
»Sie ist noch ein Kind. Und wie es aussieht, kümmert sich keiner um sie!«
»Das ist es nicht. Es ist einfach …« Michael gab es mit einem Seufzer auf und schüttelte den Kopf. »Nicht bei allen Streunern ist es ungefährlich, sie mit nach Hause zu nehmen, Claire. Vertrau mir in Bezug auf diesen.«
Miranda saß noch genau am selben Platz, als Claire zurückkam, noch immer rührte sie mit denselben traumwandlerischen Bewegungen in ihrem Kaffee. Ohne aufzublicken, sagte sie: »Er hat recht, weißt du?«
»Was?«
»Michael hat zu dir gesagt, dass es gefährlich ist, in meiner Gesellschaft zu sein. Nun, da hat er weitgehend recht. Es passieren tatsächlich Dinge. Meistens schlimme.«
Eve blickte von ihrer Lektüre auf, die wie ein Promi-Klatschmagazin aussah. Sie sagte nichts, aber sie sah Miranda irgendwie seltsam an. Schlimme Erinnerungen standen ihr ins Gesicht geschrieben.
Miranda nippte an ihrem Kaffee. »Ich bin heute nur gekommen, weil ich euch etwas sagen muss«, sagte sie. »Alle glauben, dass der, den sie suchen, die Stadt verlassen hätte, aber das hat er nicht. Er ist noch da. Er hat einen Plan, und zwar schon seit Monaten. Und die Hübsche – sie arbeitet für ihn. Sie ist für Anwerbungen zuständig.«
Eves Augenbrauen wanderten langsam, aber bestimmt nach oben. »Hey, Claire? Wovon redet sie?«
»Ich weiß nicht«, sagte Claire, auch wenn sie glaubte, es zu wissen. Sie ließ sich auf den Stuhl neben Miranda sinken. »Die Hübsche. Meinst du Gloriana?«
Eve machte sich steif, als sie den Namen hörte, und verdrehte die Augen. »Oh Gott, sag mir jetzt nicht, diese Schlange führt doch etwas im Schilde. Ich wusste es.«
Miranda schien Eve nicht zuzuhören. Eigentlich war sich Claire gar nicht sicher, dass sie überhaupt etwas hörte, was nicht in ihrem Kopf stattfand. »Es ist nicht allein seine Schuld, weißt du? Aber du musst jetzt vorsichtig sein. Er hat keine Kontrolle mehr über sich. Diese ganze Wut …« Sie schüttelte den Kopf. »Sie machen ihn so. Sie wollen euch alle so machen.«
Es war unmöglich zu begreifen, wovon sie redete. Meinte sie immer noch Bishop? Oder … Gott, meinte sie etwa Shane? »Mir«, sagte Claire. »Redest du von Shane?« Denn Shane hatte eine Menge Wut in sich, das hatte sie schon immer gewusst. Meistens unterdrückte er sie. Aber sie war trotzdem da.
Mirandas geschundenes Gesicht wirkte abwesend. Sie nippte an ihrem Kaffee und sagte: »Oh, verstehe. Sie wollen zuerst Geld – Geld und Soldaten. Und dann den Rest. Er wird nicht wieder die gleichen Fehler machen. Sag das Amelie. Sag ihr …«
Sie hörte auf zu sprechen und ihre zugeschwollenen, blau geschlagenen Augen wurden plötzlich groß.
»Mir?« Eve musste dasselbe wie
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