Bis die Daemmerung uns scheidet
dass es Kämpfe waren. Richtige Kämpfe.
Wie dieser.
Michael setzte sich auf und legte seinen Arm um Eve. Sie berührte sein Gesicht dort, wo er geschlagen worden war und fragte: »Tut es weh? Bist du okay?«
»Es brennt«, sagte er. »Shane packt in letzter Zeit ganz schön Kraft in seine Schläge.« Er blickte ihr für ein paar lange Sekunden in die Augen. »Ich dachte, du wolltest es noch niemandem sagen.«
»Wollte ich auch nicht«, sagte Eve. »Aber es ist … es ist einfach so herausgekommen. Tut mir leid. Ich wollte eine große Party machen, um es zu verkünden, weißt du, aber … ich musste etwas sagen, um ihn aufzuhalten.«
»Er hätte mich nicht verletzt. Jedenfalls nicht sehr.«
»Vielleicht nicht, aber du hättest ihn verletzen müssen, wenn er nicht aufgehört hätte. Und das wollte ich nicht.«
Claire wusste nicht, was sie von alldem halten sollte. Natürlich mochte sie Michael und Eve und sie wusste, dass sie zusammen waren, aber das … es kam ihr übereilt, endgültig und komisch vor. Als würden sie sich Hals über Kopf in etwas hineinstürzen.
Es beunruhigte sie und sie hatte keine Ahnung, warum.
Michael zog Eve wieder zu sich und küsste sie besitzergreifend. Eve seufzte und schmiegte sich an seine Brust. Beide sahen Shane und Claire an, die neben ihnen knieten. Claire hätte Shane am liebsten gefragt, ob alles in Ordnung war, aber unter diesen Umständen schien es nicht angebracht. Natürlich war es nicht in Ordnung. Nichts war gerade in Ordnung.
Sie legte ihm die Finger unter das Kinn und hob seinen Kopf. In seinen Augen schimmerten Tränen und er sah jung aus und furchtbar verängstigt.
Verloren.
»Was passiert mit mir?«, fragte er. »Gott, Claire, warum habe ich das getan? Ich mache so etwas nicht. Ich werde nicht zornig wegen … wegen nichts. Jedenfalls wurde ich das früher nicht.« Er schluckte. »Glaubst du …? Ist es …? Vielleicht ist es so, weil … mein Dad. Er war nicht immer ein gewalttätiger Mistkerl, weißt du? Er ist einfach so geworden. Er bekam diese Launen und er … er …« Er schnappte nach Luft, als würde er ertrinken, und die Trauer und der Schmerz in seiner Stimme taten ihr innerlich weh. Ohne nachzudenken, schlang sie die Arme um ihn und hielt ihn fest – sie liebte ihn so sehr und hatte Angst um ihn, Angst um sie alle. »Ich sollte das nicht tun. Es ist falsch. Alles ist falsch. Ich will nicht wie er sein. Wirklich nicht. Bitte, hilf mir.«
»Du bist nicht wie er«, flüsterte sie, die Lippen dicht an seinem Ohr. »Ich schwöre, dass du das nicht bist.«
»Warum habe ich das nur getan? Ich wollte ihn umbringen, es war, als könnte ich mich selbst nicht mehr aufhalten.«
Sie konnte ihm keine Antwort geben und hielt ihn nur fest und sie redeten leise, beinahe ohne Worte miteinander. Seine Arme, die um sie lagen, waren stark, aber sie zitterten. Sie tat, als würde sie nicht merken, wie seine Tränen ihr Oberteil durchweichten.
Michael und Eve waren irgendwann gegangen. Shanes Haut fühlte sich kalt und feucht an. »Du solltest etwas essen«, sagte sie. »Wenn du etwas gegessen hast, geht es dir besser.«
Er lachte kläglich. »Glaubst du, ich bin kein kompletter Volltrottel mehr, wenn ich etwas gegessen habe?«
»Das bist du sowieso nicht.«
»Aber nur, weil ich in nichts gut bin. Nicht einmal darin, ein Volltrottel zu sein.«
Verdammt, er brach gerade völlig zusammen und sie wusste nicht, was sie tun konnte. Claire brachte ihn dazu, aufzustehen und sich an den Tisch zu setzen. Sie brachte das Essen zurück in die Küche, um es in der Mikrowelle aufzuwärmen, und entdeckte, dass Eve und Michael dort selbst in ein leises, intensives Gespräch vertieft waren. Als sie sie sahen, schwiegen sie.
»Wir sollten essen«, sagte sie und drückte auf die Tasten der Mikrowelle.
»Irgendetwas stimmt nicht mit ihm«, sagte Eve. »Du hast es selbst gesehen.«
»Lasst uns essen«, sagte Claire, ohne darauf einzugehen. »Wir sind alle müde und hungrig. Und gereizt.«
»Claire …«
»Bitte.« Ihre Stimme brach und sie musste sich über die Augen wischen, damit die Tränen nicht fielen. »Setzt euch einfach hin und esst!«
Doch als sie das Essen hinaustrug, war Shanes Platz am Tisch leer. Sie schaute in seinem Zimmer nach, aber dort war er auch nicht.
Er war weg.
Und sie wusste nicht, wohin er gegangen war.
SHANE
Ich saß allein am Tisch und blickte mich in diesem Haus um, das mir so viel bedeutete. Mein Zuhause. Aber es fühlte sich nicht mehr an
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