Bis du stirbst: Thriller (German Edition)
und schaut sich die Gang an. Einer ist ein Mischling, klein und so dünn wie ein Windhund. Wie dafür geschaffen zu rennen. Ruiz zeigt auf ihn. Winkt ihn heran. Gibt ihm den Zehner.
»Wer dich einholt, kriegt das Geld. Wenn es keiner schafft, dann behältst du’s.«
Der Junge rennt los, schießt über den Platz, springt über einen Zaun, weicht Mülltonnen und geparkten Autos aus. Er fliegt die Straße hinunter, die anderen verfolgen ihn und fluchen.
Ruiz’ Handy vibriert an seinem Herzen. Fiona Taylor hört sich besorgt an.
»Etwas Merkwürdiges ist passiert, nachdem ich mit dir geredet habe. Ich habe Tony Murphys Namen ins System eingegeben und mir seine Akte angesehen.«
»Wie viele Seiten lang ist die denn?«
»Oh, sie ist umfangreich, aber mich interessieren die Seiten, die ich nicht sehen konnte viel mehr.«
»Was meinst du?«
»Ein Teil der Informationen ist gesperrt. Ich komme nicht durch den Sicherheitscheck, wenn ich sie einsehen will.«
Ruiz kann hören, wie sie mit ihrem Bleistift an den Rand des Schreibtischs klopft. Sie denkt nach. »Könnte um Sondereinsätze gehen.«
»Eine Überwachungsoperation?«
» MI 5 oder vielleicht MI 6.«
»Murphy spielt nicht in dieser Liga.«
»Möglicherweise nicht, aber es könnte trotzdem gut sein, vorsichtig zu sein und niemandem auf die Füße zu treten«, warnt sie.
»Das tue ich nie. Du solltest mich mal beim Tanzen sehen.«
»Der König des Ballsaals – jetzt mach ich wohl lieber Schluss.«
Sie hängt auf, und Ruiz denkt darüber nach, weshalb ein Clubbesitzer wie Tony Murphy so viel Geheimnistuerei verdienen könnte. Vor Jahren gab es Gerüchte, dass er Geld für die IRA gewaschen hätte, aber nicht einmal Murphy wäre verrückt genug gewesen, mit diesen Haien zu schwimmen.
Ruiz beginnt, nach dem Apartmenthaus Ausschau zu halten, in das Toby Streak das Mädchen angeblich gebracht hat. Was er findet, ist ein mit Graffiti bemalter Scheißhaufen mit Brandspuren an den Balkonen und Fenstern, die zumeist mit Spanplatten vernagelt sind. Ein Schwarzer mit Dreadlocks macht die Tür auf und zwinkert ins Licht, von irgendwas völlig hinüber.
»Wissen Sie, wie spät es ist, Mon?«
»Vier Uhr.«
»Die Leute schlafen.«
»Es ist Nachmittag.«
»Zeit ist relativ. Das sagt Mr Einstein.«
»Der hat auch gesagt, dass nur zwei Dinge unendlich sind – das Universum und die menschliche Dummheit –, und beim Universum war er sich nicht ganz sicher.«
Der Rasta kratzt sich am Hintern. Ruiz blickt an ihm vorbei. Auf dem Flur liegen Werbepost, Rechnungen und Mahnungen verstreut.
»Ich suche jemanden.«
»Sind Sie ein Bulle?«
»Seh ich aus wie einer?«
»Fett genug sind Sie.«
»Ich polier gleich meinen Stiefel an deinem Arsch.«
»Das würde dann unter polizeilichen Übergriff fallen, Mon.«
»Nicht, wenn ich ausrutsche. Ich suche jemanden. Sie heißt Nadia Macbeth.«
»Sie wollen ein Mädchen. Warum haben Sie das nicht gleich gesagt? Folgen Sie Puffa.«
Er winkt Ruiz herein und den Flur hinunter. Der Teppich klebt an seinen Füßen. Puffa führt ihn in einen halbdunklen Raum, in dem überall verbrannte Löffel, zerbeulte Dosen, Wasserflaschen und Aluminiumpapier herumliegen. Er tritt gegen einen Berg von Decken. Ein weißes Gesicht erscheint, mit eingefallenen Wangen und auffallend grünen Augen. Er ruft sie Treka.
»Also, was meinen Sie? Reden Sie mit Puffa. Wir können verhandeln.«
»Ich bin nur an Nadia Macbeth interessiert.«
»Hier ist niemand, der so heißt.«
Treka kriecht zurück unter die Decke.
Ruiz drängt sich an Puffa vorbei und fängt an, die Wohnung zu durchsuchen. Er redet mit einem Jungen, der aussieht wie zwanzig, wahrscheinlich aber jünger ist. Er isst Cornflakes direkt aus dem Karton und starrt in die Ecke, wo früher mal der Fernseher stand.
»Mal was von Nadia Macbeth gehört?«, fragt er.
»Ich hab von Macbeth gehört. In der Schule. Ist eines von Shakespeares Werken über drei Hexen und einen Typen, der König sein will.«
»Da musst du ja zugehört haben.«
Ruiz holt sein Handy heraus und sieht sich die Liste mit den neuesten Nachrichten an, bevor er einen Knopf drückt, um irgendjemanden zurückzurufen. Das Geräusch eines klingelnden Telefons erfüllt das Zimmer. Puffa sieht zur Decke und tut, als würde er nichts hören. Das Handy vibriert in seiner Hosentasche.
»Willst du nicht drangehen?«, fragt Ruiz.
»Jetzt nicht«, sagt Puffa.
»Ich glaube, du solltest.«
Puffa zieht den Hörer heraus. Klappt ihn
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