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Bis einer stirbt

Bis einer stirbt

Titel: Bis einer stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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hatten.
    »Echt nicht?!« Bis zuletzt hatte ich gehofft, mich nur in etwas hineingesteigert zu haben.
    »Nein«, sagte sie ruhig. »Echt nicht.« Sie setzte ihre Brille ab, behielt sie aber in der Hand. Zum ersten Mal sah sie mir direkt in die Augen: fragend. Aber ich konnte ihr keine Antwort geben.
    Eigentlich hatte ich vorgehabt, ihr alles zu erklären. Ihr zu erzählen, was sich zwischen meinem Vater und mir abgespielt hatte. Dass er mich zwingen wollte, von der Schule abzugehen und in dieser blöden Tankstelle zu arbeiten, und dass ich dazu nicht bereit war, sondern ein anderes Leben führen wollte. Dass meine eigene Familie in einem eigenen Haus mit einem richtigen Garten leben sollte, nicht in einer viel zu engen Blockwohnung und all dieses Zeug. Jede Menge exotische Blumen sollten in meinem Garten wachsen und ich wollte einen Job haben, der mir wirklich Spaß machte. Ich hatte meine Mutter dazu bringen wollen, ihn zu beeinflussen, soweit das noch möglich war, damit ich möglichst bald wieder nach Haus konnte. Aber all das verschwand plötzlich, alle Worte zogen sich vor mir zurück und wurden bedeutungslos.
    »Wir müssen sofort die Polizei verständigen«, sagte meine Mutter, schon halb aufgestanden.
    »Warte!«, rief ich. »Ich mach das.«
    Noch während des Redens zückte ich mein Handy und drückte Nils’ Nummer. Ich verkrümelte mich in einen leeren Winkel des Schnellrestaurants. Meine Mutter ließ mich keine Sekunde aus den Augen.
    »Hallo, Nils«, sagte ich, als er sich endlich meldete. »Pit ist letzte Nacht nicht nach Hause gekommen.«
    Nils’ Ruhe schien angestrengt. »Macht er das öfter oder ist es das erste Mal?«
    Zack! Genau die falsche Stelle getroffen. Obwohl ich mich selbst drüber wunderte.
    »Na hör mal!«, rief ich wütend. »Wie kommst du denn darauf? Wofür hältst du uns eigentlich? Wir sind doch nicht asozial.«
    »Was soll der Schwachsinn? Wieso sollte ich das denken?«
    Er musste es ganz einfach denken. Ich haute ab wie mein Bruder – und er trieb sich zudem mit zwielichtigen Typen herum. Mein Vater war arbeitslos und soff. Waren wir nicht asozial? »Weil du so tust«, rief ich, »als sei es völlig normal, dass mein kleiner Bruder nachts nicht nach Hause kommt. Du bist echt der arroganteste Typ, den ich je kennengelernt habe.«
    »So habe ich das echt nicht gemeint«, sagte er. »Aber wenn du mich so siehst …«
    Warum sollte ausgerechnet er anders sein und etwas anderes denken, als jeder es getan hätte?
    »Wahrscheinlich hältst du ihn sowieso schon für kriminell.«
    »Du hast Recht«, sagte Nils. »Und du bist auch kriminell und asozial sowieso. Natürlich glaube ich das. Was sonst?«
    »Siehst du. Sag ich doch.«
    Einen Moment lang wusste ich nicht, ob ich heulen oder lachen sollte.
    »Hast du eigentlich nur angerufen, um mich zu beschimpfen?«, fragte Nils trocken. »Oder soll ich vielleicht so was wie eine Suchmeldung weitergeben?«
    »Ich hab Angst um Pit«, platzte es plötzlich aus mir heraus. »Er ist keiner, der einfach so abhaut.«
    Ein paar Sekunden blieb Nils still. »Ich gebe die Nachricht an Marlena weiter«, sagte er dann. »Okay?«
    »Ja.« Meine Stimme war so leise, dass ich sie selbst kaum hören konnte.
    »Übrigens gibt es was Neues im Tankstellenfall«, sagte Nils.
    »Und?« Es interessierte mich im Augenblick nicht wirklich.
    »Leider nichts Gutes. Die Fingerabdrücke auf der Brieftasche des Opfers, du erinnerst dich?«
    »Na klar. Was ist damit?«
    »Der Täter ist nicht registriert. Blöde Sache. Da haben sie eine so heiße Spur. Und dann stellt sich raus, dass es gar keine ist.«
    »Können wir uns nicht irgendwo treffen?«, fragte ich plötzlich. »Jetzt? Am Wasser vielleicht?« Das blöde Telefon zwischen uns störte mich auf einmal.
    Er schien sich zu freuen. »Na klar. Von mir aus immer.«
    »Es muss Ruhe einkehren«, sagt die Stimme am anderen Ende der Leitung. »Um jeden Preis.«
    Der, den sie den »Boss« nennen, der aber in Wahrheit nur ein Rädchen im Getriebe ist, wirkt erleichtert.
    »Geht klar«, sagt er.
    So wie er es schon hundertmal zuvor gesagt hat, wenn es darum ging, seine Leute zur Räson zu bringen oder einen neuen Coup vorzubereiten. Er hat es sich zum Prinzip gemacht, nur die Anweisungen dieser einen Telefonstimme zu befolgen. Niemand sonst ordnet an, wo es langgeht, was er zu tun und zu lassen hat. Zu dieser Stimme hat er absolutes Vertrauen. Er gehorcht ihr blind.
    Den dazugehörigen Mann hat er noch nie gesehen, aber das

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