Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)
irgendwas von dem glauben, was ich sage. Und obendrein fange ich auch noch an verrückt zu werden …« Ich sah Linda an. »Natürlich kann es auch sein, dass ich wirklich verrückt werde, was bedeutet …«
»Es gibt überhaupt keinen Grund, Ihnen zu glauben.«
Ich lächelte. »Genau.«
Linda stützte sich auf das Geländer und schaute hinaus auf den Strand. Eine Weile sagte sie nichts, sondern stand nur da, dachte nach … und wieder nutzte ich die Gelegenheit, mir selbst noch mal alles durch den Kopf gehen zu lassen. Es gab etliche Löcher in meiner Theorie, vieles, was nicht zusammenpasste, aber das kümmerte mich nicht weiter. Es gibt immer Dinge, die nicht zusammenpassen, das hat nicht notwendigerweise etwas zu sagen. Manchmal füllen sich die Löcher noch, manchmal auch nicht.
Und wenn nicht …?
Na ja, die Welt ist einfach voller Löcher, oder?
»Also gut, passen Sie auf«, sagte Linda und wandte sich mir zu. »Ich gehe jetzt und denke noch ein bisschen über das Ganze nach. Dann mache ich ein paar Anrufe, rede mit ein paar Leuten und schaue, was ich über Mark rausfinden kann …« Sie schüttelte den Kopf. »Das ist der Teil an der Sache, den ich am wenigsten glauben kann, John. Ich meine, wenn das wirklich wahr ist, wenn es wirklich stimmt, was Sie gesehen haben … also, ich versteh das nicht. Wieso solltejemand so weit gehen, nur um Ihren Verstand zu verwirren? Das wäre doch sinnlos.«
»Nein«, antwortete ich. »Aber eigentlich ist es immer sinnlos, jemandem den Kopf abzuschneiden, oder?«
Sie schüttelte wieder den Kopf. »Wie auch immer, ich überprüf das, okay?« Sie warf einen Blick auf den Umschlag, den ich ihr gegeben hatte. »Und den gebe ich in die Gerichtsmedizin, den Whisky auch, mal sehen, ob sie was finden. Obwohl, ehrlich gesagt …« Sie schaute wieder auf den regennassen Strand. »Die Flut ist jetzt schon ungewöhnlich hoch. Wenn es weiter so regnet, könnte der Damm tagelang überflutet sein. Wenn das passiert …« Sie seufzte. »Scheiße.«
Anscheinend hatte sie gerade begriffen, was das bedeutete. Wenn die Straße auf dem Damm überflutet war und niemand mehr von der Insel kam, war es nicht nur unmöglich, irgendwas in die Gerichtsmedizin zu schicken, sondern die gesamte Logistik der Fahndungsaktion wäre lahmgelegt, was viel schlimmer war.
»Ich muss los«, sagte sie und wandte sich vom Balkon. »Sobald ich was weiß, gebe ich Ihnen Bescheid …« Sie sah mich an. »Ich gehe nicht davon aus, dass Sie vernünftig sind und nach Hey zurückkehren?«
»Ich kann ja nicht, oder?«, sagte ich lächelnd. »Nicht, solange die Insel vom Festland abgeschnitten ist.«
Sie war nicht mehr in der Stimmung zu lachen. »Geben Sie mir Ihre Handynummer?«, fragte sie.
Ich sagte sie ihr und sie tippte sie ein, während sie ins Zimmer zurückging. Am Tisch blieb sie stehen, schrieb etwas auf den Hotel-Notizblock, riss das Blatt ab und reichte es mir. »Das ist meine Nummer«, sagte sie. »Wenn irgendwas passiert, rufen Sie an … egal, was es ist, einverstanden?«
»Ja.«
Sie zog ein Paar Latexhandschuhe aus ihrer Tasche, griff nach der halb leeren Whiskyflasche und ging zur Tür.
»Soll ich Ihnen eine neue besorgen?«, fragte sie.
»Äh, ja«, sagte ich überrascht. »Das wär schön.«
»Ich bringe Ihnen gleich eine rauf.« Sie drehte sich noch mal um und schaute mich an. »Hören Sie, John, ich weiß, ich kann Ihnen nicht vorschreiben, was Sie tun sollen, aber bitte … halten Sie sich von jetzt an raus, okay? Überlassen Sie das Ganze mir. Schaffen Sie das?«
»Kriege ich den Whisky auch, wenn ich Nein sage?«
»Ich meine es ernst, John.«
»Ich auch.«
»Gott«, seufzte sie kopfschüttelnd. »Warum können Sie nicht einfach – ?«
»Okay«, sagte ich lächelnd. »Ich tu, was Sie wollen, ja? Ich halte mich raus.«
»Ernsthaft?«
»Ja.«
»Versprochen?«
Ich nickte. »Versprochen.«
Sie sah mir einen Moment in die Augen, suchte nach der Wahrheit, und ich hielt ihrem Blick stand. Sie war sehr gut darin, nichts preiszugeben, und als ich ihr so in die Augen starrte, mit den Händen hinterm Rücken, wusste ich beim besten Willen nicht, ob sie mir glaubte.
Nicht dass es wichtig war.
»Wir bleiben in Kontakt«, sagte sie schließlich und sah mich noch einmal mit einem durchdringenden Blick an.
Ich nickte.
Dann drehte sie sich um, öffnete die Tür und ging hinaus.
Ich wartete ein paar Sekunden, lauschte, wie sie ihren Putzwagen über den Flur schob, dann zog ich meine
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