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Bis hierher und weiter - Mit allen Nockherberg-Reden von Bruno Jonas

Titel: Bis hierher und weiter - Mit allen Nockherberg-Reden von Bruno Jonas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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höchsten Trumpf ausgespielt: Wenn du Papst wirst, kannst in Weiß gehen. Ich hab die zwei Mark genommen und gesagt, dass ich mir das noch mal überlegen kann. Ich habe es mir ernsthaft überlegt. Irgendwann war ich so weit. Papst, jawohl, das könnte schön sein. Damals war Johannes XXIII. Papst, und wir sahen im Fernsehen, wie er in einer Sänfte auf den Schultern von bunt gewandeten Trägern in den Petersdom einzog. Er lächelte und segnete die gläubigen zur Linken und zur Rechten. Palmwedel fächelten ihm Luft zu und die gemeinde sang »großer gott, wir loben Dich«. Ich sah mich in der päpstlichen Sänfte sitzen, die Tiara auf dem unfehlbaren Haupt, die Huldigungen der gläubigen entgegennehmend. In meiner Fantasie konnte ich mir das durchaus vorstellen. Wenn ich auch zugeben muss, kaum über päpstliche Tugenden verfügen zu können. Allein die Unfehlbarkeit läge mir. Es ist ja nichts daraus geworden, ich habe einem anderen Bayern den Vortritt gelassen. Immerhin ein Bayer, der genau wie ich aus der Diözese Passau stammt, denn sein geburtsort Marktl am Inn gehört zur Diözese Passau.
    Ich wollte wirklich Priester werden, was das Humoraufkommen in der Familie enorm anwachsen ließ. Es kam zu merkwürdigen Aktionen. Mein evangelischer Vater, immer zum Spott aufgelegt, imitierte bei der Brotzeit, während er einen schwarzen Presssack verzehrte, liturgische gesänge, intonierte ein jämmerliches Halleluja, was meine katholische Mutter gar nicht komisch fand. Er besuchte die katholische Messe, um mich beim Ministrieren zu beobachten. Er wollte sich persönlich ein Bild machen, ob ich ein Talent zum Priester hätte. Ich hab ihn nicht überzeugt, denn er meinte: Pfarrer wirst du nie, da fehlt dir das Hirn! Das Hirn hat gerade ausgereicht, um mich als Kabarettist und gotteslästerer zu profilieren.
    Das war im Jahr 1975, als der Sigi Zimmerschied und ich ein Stück aufgeführt haben, das »Die Himmelskonferenz« hieß und dramaturgisch wie inhaltlich Anleihen nahm beim berühmten »Liebeskonzil« von Oskar Panizza. Bei dieser Konferenz im Himmel wurde auch Papst Paul VI. erwartet, der schließlich, als Letzter, verspätet dazustieß, weil die Vatikan-Air technische Probleme hatte beim Landeanflug auf dem himmlischen Flughafen. Die Konferenzteilnehmer besprachen wichtige Probleme.
    Die gottesmutter Maria war zum zweiten Mal schwanger und der Heilige geist, leicht alkoholisiert, bestreitet jede Vaterschaft: »Ich war’s nicht, diesmal suacht’s euch einen anderen …,«, lallt er.
    Jesus raucht einen fetten Joint, spielt bekifft Songs von Bob Dylan auf der gitarre und träumt von der revolutionären Befreiungstheologie Südamerikas. gottvater sitzt resigniert auf seinem Thron und kann die Augen kaum offen halten vor Müdigkeit, der Alte hat nichts mehr zu sagen und lässt sich von dem alles bestimmenden und mächtigsten unter den Seinen, Petrus, den Mund verbieten … die göttliche Familie ist nicht mehr ganz bei Trost, wie es scheint.
    Wir spielten also das Stück in Passau vor etwa 250 Personen, die lauthals lachten. Manche lachten so laut, dass sie selber überrascht waren von ihrem Humor.
    Der Abend war ein großer Erfolg. Wir waren glücklich. Und dann kam die Ernüchterung:
    Wir wurden angezeigt wegen Religionsbeschimpfung und Verunglimpfung religiöser gefühle.
    Es gab Menschen, gute Katholiken selbstverständlich, die das Stück nicht gesehen, aber davon gehört hatten, und entsetzt waren, wegen der Späße, die hier mit dem glauben getrieben wurden. Man hielt uns für Teufel, die ausgetrieben gehörten. Man fragte sich, wie es so weit kommen konnte mit uns, die wir doch alle Ministranten waren, am Altar groß geworden, in unseren Pfarreien von Kaplänen und Pfarrern zu guten Christen erzogen worden waren …
    Es wurde ermittelt. Nicht gegen die Pfarrer und Kapläne, die offenbar versagt hatten bei unserer Erziehung, nein, gegen uns! Wir wurden vorgeladen zum Staatsanwalt, Dr. Fuchs, und wir sollten unsere Schuld eingestehen. Und obwohl wir im Eingestehen von Schuld eigentlich gut ausgebildet waren, tat ich mich schwer damit.
    Ich spüre noch heute die Angst, die mir in die glieder gefahren war, als die Vorladung von der Staatsanwaltschaft kam. Meine Mutter hielt mir das Kuvert wortlos hin, mit einem finsteren Blick. Noch während ich das Schreiben las, bemerkte sie trocken: »Da kannst schaug’n, wia du da wieder rauskommst. Am End sperrn’s di no ein! I woas net, i woas net, was das no werden soll

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