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Bis ich bei dir bin

Bis ich bei dir bin

Titel: Bis ich bei dir bin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Hainsworth
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»Camden Pike … rechtes Bein zerschmettert … Eröffnungsspiel zum Schulanfang im vergangenen Jahr …« Daneben ein Schnappschuss von mir wie ich über meine Schulter gucke und den Linebacker nicht sehe, der mit vollem Tempo auf mich zugerast kommt. Ich fühle mich zu dem letzten Moment meines letzten Spiels zurückversetzt und ziehe mein schmerzendes Knie an meine Brust.
    Ein einziger Moment, das hat ausgereicht. Danach drehte sich mein Leben nicht mehr um Stundenpläne und Trainingseinheiten, sondern wurde zu einem verschwommenen Albtraum aus Schmerz, unterbrochen von Morphiumdosen. Die Ärzte sagten, ich würde wieder laufen können, aber die Saison ging ohne mich weiter. Manchmal gewann die Mannschaft sogar mit Logan. Ich war nicht mehr von Bedeutung. Nichts war mehr von Bedeutung.
    Mit zitternder Hand streiche ich über das Kapitänsfoto, habe fast Angst, es zu berühren.
    Zwischen meinen Fingern erhasche ich einen Blick auf Viv an der Seitenauslinie, ganz Puschel und Pferdeschwanz und knackig sitzende Uniform … Das dumpfe Ziehen wandert von meinem Knie hinauf in meine Leistengegend.
    »Hey, ich dachte, ich sehe mal nach, ob du Hunger …«
    Nina hält inne, als sie das Buch auf meinem Schoß bemerkt, und macht die Tür zu.
    »Das ist mein Jahrbuch«, sagt sie.
    »Ganz offensichtlich ist es nicht meins.«
    Sie lehnt sich unbehaglich an den Schreibtisch.
    »Ist schon komisch.« Ich stehe auf und halte ihr das Foto unter die Nase. »Dein bester Freund ist der Mannschaftskapitän, er ist der verdammte rote König, und seine Cheerleader-Liebste wird von der ganzen Schule beneidet.«
    »Sprich leiser«, zischt Nina.
    »Wolltest du deshalb nicht, dass ich hier durch die Gegend laufe?«, frage ich. »Aus Angst, ich könnte jemandem begegnen, obwohl ich doch so kein bisschen bin wie er ?«
    Mein Bein pocht. Ich starre sie wütend an, doch sie erwidert meinen Blick nicht, antwortet nicht. Da stoße ich sie zur Seite und mache, dass ich hier rauskomme.
    »Du kannst jetzt nicht …«
    »Scheiß drauf.«
    »Nein, meine Tante!«
    Ich bin schon halb durch den Flur, als ich höre, wie hinter mir eine Tür aufgeht und eine schläfrige Stimme ruft: »Nina, was machst du? War das eben nicht …?«
    Schon bin ich die Treppe hinunter und draußen, sodass ich die Antwort nicht mehr mitbekomme.
    Die Morgenluft ist noch frisch, aber es sieht aus, als würde die Sonne bald durch die Wolken brechen. Erst am Ende der Genesee Street merke ich, dass ich immer noch Ninas Jahrbuch in der Hand halte. Zuerst will ich es in den nächsten Vorgarten schleudern, doch dann drehe ich es hin und her, starre auf den roten Ledereinband und klemme es mir unter den Arm. Ich bin nicht bereit, etwas loszulassen, das ein so schönes Foto von Viv enthält, egal, wie bestürzend es war, es zu sehen. Sie wirkt darauf glücklicher, als ich sie je erlebt habe – am Arm ihres gefeierten Quarterbacks. Mir wird schwer ums Herz bei dem Gedanken, und ich muss mir fest auf die Lippen beißen, um mich ans Atemholen zu erinnern. Ich suche die Straße ab, aber es kommt mir niemand entgegen, was echt schade ist, denn ich möchte zu gern jemanden anbrüllen, dass er sich verpissen soll. Mein anderes Ich wird schon damit klarkommen. Der Kerl hat Glück genug im Leben.

DREIZEHN
    A n der Decke meines Zimmers ist ein kreisförmiges Mal, das an den Planeten Jupiter erinnert und auch so einen großen roten Fleck hat. Ich starre schon den ganzen Tag darauf, seit ich mich durch das gruselige grüne Licht zurückbugsiert und es nach Hause geschafft habe. Wenn ich ihn weiter beobachte, wird er bestimmt bald anfangen, seine Umlaufbahn durch mein Zimmer zu ziehen.
    Heute käme mir das noch nicht mal besonders eigenartig vor.
    Mein Handy klingelt direkt neben meinem Ohr. Ich taste unter meinem Kopfkissen herum.
    »Hallo?«
    »Camden? Wo bist du? Deine Schicht hat vor zwanzig Minuten angefangen.«
    Ich sehe zum Fenster hinaus. Es fängt schon an zu dämmern.
    »Scheiße.«
    »Wie bitte?«
    »Verzeihung, Sir.«
    Benommen starre ich auf meinen Kleiderschrank, während ich versuche, mir eine Entschuldigung einfallen zu lassen. Ein paar T-Shirts und Hemden hängen noch auf Bügeln, aber die meisten meiner Klamotten quellen heraus und ergießen sich lawinenartig auf den Boden. Ein weißer Ärmel ragt wie eine Kapitulationsfahne ganz hinten heraus. Er gehört zu einem weißen Trikot mit einer großen roten Nummer fünf darauf. Mein Griff um das Telefon wird eisern. Mein anderes Ich

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