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Bis ich dich finde

Bis ich dich finde

Titel: Bis ich dich finde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Gezeichnete – Versager, wie sie im Bilderbuch
standen.
    Aber Alice kochte ihnen Tee und Kaffee und legte ihre Lieblingsmusik
auf; einige brachten ihre eigene Musik mit, die härter war als die von Alice.
Das Daughter Alice war ein Ort, wo man sich traf. Nicht jeder kam, um sich
tätowieren zu lassen, aber man mußte schon eine Tätowierung haben, um sich dort
wohl zu fühlen.
    Einmal sah Jack dort Krung: Er kam kurz herein, um eine Tasse Tee zu
trinken. Die Sporthalle in der Bathurst Street gab es nicht mehr; jetzt war
dort ein Bioladen.
    »Alte Sportler müssen immer wieder was Neues finden, Jackie«, sagte
Krung. Er musterte Claudia ausgiebig und sagte zu Jack, sie habe die idealen
Kickboxerhüften.
    An einem anderen Tag kam Tschenko herein; er ging am [470]  Stock, aber
Jack freute sich, ihn zu sehen, und fand, daß er viel zu schnell wieder
aufbrach. Selbst mit Stock war Tschenko für Alice ein Beschützer, wenn auch nur
sporadisch.
    Tschenko war höflich zu Claudia, sagte zu Jack jedoch nichts über
ihr Potential als Ringerin. Er habe Emma nie vergessen können, gestand er Jack
traurig – und meinte damit nicht nur die Tatsache, daß sein gebrochenes
Brustbein nie ganz verheilt war.
    Die verlorenen jungen Leute, die kein Geld hatten, hingen im
Daughter Alice herum und sahen Jacks Mutter bei der Arbeit zu; sie versuchten,
Geld aufzutreiben und sich zu entscheiden, welche Tätowierung sie sich als
nächstes stechen lassen würden. Alte Tintensüchtige schauten vorbei und
stellten sich zur Schau; einige von ihnen schienen ihre Hautoberfläche zu
rationieren, denn für neue Tätowierungen war nicht mehr viel Platz. (Es machte
Jack wahnsinnig, daß Claudia sie als »Romantiker« bezeichnete.)
    »Die traurigsten Fälle«, sagte Alice,
»sind die Beinahe -Fullbodys.«
    Aber war ihnen auch beinahe kalt? fragte
sich Jack. Er konnte sie nicht ansehen, ohne an seinen Vater zu denken. Hatte
William Burns noch ein Stückchen Haut übrig für die eine letzte Note?
    Jack hatte gewußt, daß Claudia sich tätowieren lassen würde,
doch er tat, als wäre er überrascht, als sie ihm ihren Entschluß mitteilte.
»Dann such dir aber eine Stelle aus, die man auf der Bühne nicht sieht«, riet
er ihr.
    Alice hatte einen Vorhang auf einem fahrbaren Gestell. Wie in der
Ambulanz eines Krankenhauses konnte man damit jemanden, der sich an einer
intimen Stelle tätowieren ließ, vor neugierigen Blicken abschirmen. Claudia
wollte ihre Tätowierung – das Zepter des Chinesen – hoch an der Innenseite
ihres rechten Oberschenkels. Es war, wie Claudia wußte, Jacks Lieblingsmotiv
und bedeutete: »Wie du willst.«
    [471]  »Vergiß es«, hatte seine Mutter geantwortet, als er gesagt hatte,
dies sei die beste der Tätowierungen, die sie vom Chinesen gelernt habe. Doch
als Claudia sich für dieses Motiv entschied, hatte sie keine Einwände.
    In Redding hatte Jack für kurze Zeit Kapital aus dem exotischen Bild
geschlagen, das er für seine Mitschüler von Alice zeichnete: seine Mutter, die
berühmte Tätowiererin. (Als wäre an ihrem Beruf nichts Exotisches, wenn sie
nicht mindestens berühmt war.) Und jetzt war seine Mutter tatsächlich berühmt –
jedenfalls in der kleinen Welt der Queen Street –, und Jack war peinlich berührt
vom Daughter Alice und der allgemeinen zwielichtigen Schäbigkeit, mit der er
die Welt des Tätowierens verband.
    Aber was hätte seine Mutter sonst tun sollen? Sie hatte versucht,
Jack vor dieser Welt zu beschützen. Sie hatte ihm klargemacht, daß er im Studio
des Chinesen nichts zu suchen hatte, und es war nicht ihre Schuld gewesen, daß
Jack praktisch ihr Lehrling gewesen war, als sie sich auf der Suche nach
William durch all die Hafenstädte Nordeuropas tätowiert hatte – mit Ausnahme
der Abende in Kopenhagen, an denen Herzensbrecher-Madsen ihn zu Bett gebracht
hatte.
    Jetzt, da sie stolz auf ihre Arbeit und ihr eigenes Studio zu sein
schien, schämte Jack sich für sie. Claudia hatte recht, als sie ihm deswegen
Vorhaltungen machte, aber sie hatte ja auch nicht erlebt, wie Alice ihm
jahrelang den Rücken gekehrt hatte.
    Jack machte die Sache noch schlimmer, indem er Einwände dagegen
erhob, daß Alice’ Lehrling zusehen durfte, während sie Claudias Tätowierung
stach. Wozu der Vorhang, wenn dieser Typ zusehen durfte? Die Tätowierung
berührte beinahe Claudias Schamlippen!
    Der Lehrling war ein junger Mann aus Neuseeland. Mrs. Oastler nannte
ihn »Alice’ Kiwi«. Sie mochte ihn nicht, und Jack war er

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