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Bis ich dich finde

Bis ich dich finde

Titel: Bis ich dich finde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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und manchmal rutschte eine von Emmas
Brüsten seitlich heraus, aber sie trug sie ja nur als Nachthemden oder wenn sie
schrieb.
    Emma und Jack hatten jeweils ein eigenes Schlafzimmer, aber [490]  meist
schliefen sie, wenn sie kein »Date« hatten, im selben Bett, ohne eigentlich
viel zu tun. Emma hielt seinen Penis, bis einer von ihnen einschlief – wenn sie
überhaupt zur selben Zeit zu Bett gingen, was nicht oft der Fall war. Hin und
wieder streichelte Jack ihre Brüste, mehr nicht. Er masturbierte nie, wenn sie
dabei war.
    Emma und Jack hatten ihre eine große Erfahrung miteinander hinter
sich, und das schienen sie zu wissen, ohne darüber sprechen zu müssen. Sie
hatte ihm beigebracht, wie er sich einen runterholen konnte, und ihn sogar
aufgefordert, dabei an sie zu denken. Doch das hatte einzig und allein dazu
gedient, Jack das Internat überstehen zu lassen, und obwohl sie ihm Nacktfotos
geschickt hatte – und Jack, was sie nicht wußte, noch immer eins davon besaß –,
herrschte zwischen ihnen das Übereinkommen, daß sie mehr als Freunde und ganz
sicher ein bißchen anders als andere Geschwister, aber auf keinen Fall ein
Liebespaar waren. (Die Tatsache, daß Emma Jacks Penis hielt und beide oft in
Gegenwart des anderen nackt waren, ohne sich dabei etwas zu denken, änderte
nichts daran.)
    Emma lernte bei World Gym einen weiteren Bodybuilder kennen, und
dieser verprügelte sie nicht. Er arbeitete als Kellner bei Stan’s, das an der
Ecke Rose und Main lag.
    Stan’s war eines der Restaurants, die sich in Venice nicht lange
würden halten können. Das Personal war nicht so dreist wie in einem New Yorker
Steakhouse (Smith & Wollensky beispielsweise), und für Steaks, Koteletts
und Hummer aus Maine (etwas anderes servierte man dort nicht) schienen die
weißen Tischtücher übertrieben, aber die Kellner trugen weiße Hemden mit
aufgekrempelten Ärmeln, keine Krawatten sowie weiße, gestärkte Schürzen, mit
denen sie aussahen wie Metzger, die noch nicht mit Fleisch in Berührung
gekommen waren. Es ist nicht leicht, in einem Steakhouse ein Gefühl von
Überlegenheit zu [491]  entwickeln, doch die Kellner bei Stan’s (Kellnerinnen gab
es nicht) schienen von Natur aus dazu zu neigen. Es war, als wären sie mit
diesen weißen, gestärkten Schürzen auf die Welt gekommen, ohne daß dabei auch
nur ein einziger Tropfen Blut geflossen wäre.
    Der Kellner, den Emma kennengelernt hatte, hieß Giorgio oder Guido
und konnte in Rückenlage hundertfünfzig Kilo stemmen. Emma redete ihm ein, Jack
sei ein versierter Kellner, worauf Giorgio oder Guido ihn widerstrebend Donald,
dem beängstigend unverschämten Oberkellner, vorstellte.
    Jack besaß natürlich keinerlei Erfahrung als Kellner, doch Emma
bearbeitete kunstvoll Mr. Ramseys Empfehlungsschreiben über seine
schauspielerischen Fähigkeiten, in dem dieser wiederholt auf Jacks »enormes
Potential« hinwies. Das Studio in West-Hollywood, wo Emma jeden Morgen ihre
Beurteilungen abgab und einen neuen Stapel Drehbücher abholte – sie las und
bewertete täglich drei bis vier davon –, war mit vielen teuren Kopierern
ausgestattet, mittels deren Emma eine revidierte Fassung von Mr. Ramseys
Schreiben erstellte.
    Das Wort »Schauspieler« wurde durch »Kellner« ersetzt, die Titel
bestimmter Theaterstücke oder Adaptionen (auch der Musicals) wurden dem
ungebildeten amerikanischen Adressaten als Namen exklusiver Restaurants in
Toronto präsentiert, in denen Jack, wie Mr. Ramsey schrieb, »großartige
Leistungen« gezeigt habe. Das Wort »Leistung« kam überhaupt recht oft vor –
Emma ließ es stehen und veränderte es nur hier und da in das Verb »leisten«.
    Jack hatte also in einem Bistro namens Braut auf Bestellung
Großartiges »geleistet«, ebenso wie in dem – wahrscheinlich französischen –
Lokal d’Urbervilles und anderen gehobenen Restaurants im Nordwesten der USA , unter anderem dem Notre Dame und Peter and Wendy,
ganz zu schweigen von dem vermutlich spanischen Spezialitätenrestaurant
Bernarda Alba.
    [492]  Mr. Ramseys Briefkopf – nämlich der von St. Hilda – wies ihn als
Leiter der Abteilungen Englisch und Theater aus, war jedoch so verändert
worden, daß er nun als Geschäftsführer des Hotel-Restaurants firmierte, das
diesen eigenartig religiös klingenden Namen trug. Im ersten Satz seines Briefes
bezeichnete Mr. Ramsey St. Hilda als »eines der ersten Häuser Torontos«.
    Aber Donald war ein aufgeblasenes Arschloch, ein Oberkellner aus der
Hölle.

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