Bis ich dich finde
Romans. »Aus dem Job kann nichts Gutes
werden, Zuckerbär.«
Jack setzte das kleine Mädchen in die Mitte des Rücksitzes und
schnallte es an, denn mit dem blöden Kindersitz kam er nicht zurecht. »Das ist
wohl auch ganz schön schwer, wenn man keine Kinder hat«, sagte die Kleine
nachsichtig. Sie hieß Lucy. »Ich bin fast fünf«, sagte sie.
Als Jack wieder an der Ecke Rose und Main Street war, hielt er vor
dem Restaurant an. Seine Kollegen waren verwundert, den Wagen zu sehen. »¿Que pasa?« fragte Roberto, als Jack ihm die Schlüssel
gab.
»Park ihn lieber nicht gleich«, sagte Jack zu ihm und ging mit Lucy
hinein. Sie wollte die Decke und den Teddybären mitnehmen, nicht aber das
Kissen. Er hatte nichts dagegen.
[495] Das Oberkellnerarschloch Donald stand an seinem Pult, als wäre es
eine Kanzel und das Reservierungsbuch die Bibel. Als Lucy die Gäste sah, wollte
sie von Jack auf den Arm genommen werden, was er auch gern tat. »Jetzt kriegen
wir Ärger«, flüsterte sie ihm ins Ohr.
»Dir passiert gar nichts«, sagte Jack zu ihr. »Wenn hier einer Ärger
kriegt, dann ich.«
»Den Ärger hast du schon, Burns«, sagte Donald, aber Jack ging an
ihm vorbei ins Restaurant. Lucy entdeckte ihre Eltern schneller als Jack. Es
war noch früh, und nicht alle Tische waren besetzt. (Vielleicht waren bei
Stan’s nie alle Tische besetzt.)
Lucys Mutter erhob sich und ging ihnen entgegen. »Ist irgendwas
nicht in Ordnung?« fragte sie Jack. Was für eine Frage! Und da meinten viele
Frauen (nicht nur Claudia), Jack Vorwürfe machen zu müssen, wenn er sagte, er
sei noch nicht bereit, Kinder zu haben!
»Sie haben etwas vergessen«, sagte Jack zu der jungen
Künstlermutter. »Sie haben Lucy im Wagen vergessen.« Die Frau starrte ihn nur
an, doch Lucy streckte die Arme aus, und ihre Mutter nahm sie Jack mitsamt
Decke und Teddybär ab.
Jack hoffte, damit sei die Sache erledigt, doch Donald, der
Oberkellner aus der Hölle, ließ ihn nicht gehen. »Es gibt kein St. Hilda in
Toronto, jedenfalls kein Hotel oder Restaurant, das so heißt«, zischte er. »Und
auch kein Braut auf Bestellung –«
»Dann bist du also aus Toronto«, unterbrach ihn Jack. Donald hatte
»T’ronto« gesagt – das hatte ihn verraten. Jack hätte es wissen sollen. Donald
war einer von vielen Undercover-Kanadiern, die in L.A. ihr Geld als Kellner verdienten.
Natürlich wollte der junge Künstlertyp und schlechte Vater Jack
nicht gehen lassen, ohne ihm noch etwas nachgerufen zu haben. »Ich sorge dafür,
daß du rausfliegst«, rief er.
»Den Job wird man gern los«, sagte Jack.
Giorgio oder Guido hielt sich dezent im Hintergrund bereit – [496] insofern ein Mann, der hundertfünfzig Kilo stemmen kann, dezent sein kann.
»Du solltest jetzt lieber verschwinden, Jack«, sagte er.
»Das versuche ich ja«, antwortete Jack.
Er war bei dem Pult mit dem Reservierungsbuch, als er das Telefon
sah. Für einen Augenblick überlegte er, ob er die Polizei anrufen und einen
eindeutigen Fall von Vernachlässigung der Aufsichtspflicht melden sollte, tat
es dann aber doch nicht. Er wußte ja nicht einmal die Nummer des Audis. Die
würde er sich aufschreiben müssen – wieder mal die verdammten Zahlen.
Doch der schlechte Vater war zu wütend, um Jack einfach so gehen zu
lassen. Er baute sich vor Jack auf und versperrte ihm den Weg. Der Mann war
mittelgroß, und sein Kinn war auf Höhe von Jacks Augen. Jack wartete darauf,
daß der Mann ihn berührte. Als er Jack an den Schultern packte, wich Jack einen
Schritt zurück, worauf der Mann ihn zu sich herzog. Jack gab nach und versetzte
ihm einen Kopfstoß gegen den Mund, so daß seine Lippe blutete. Der Stoß war
eigentlich gar nicht so fest gewesen, aber der Mann blutete wie ein Schwein.
»Sobald ich zu Hause bin, rufe ich die Polizei an«, sagte Jack zu
Giorgio oder Guido. »Das kannst du Donald sagen.«
»Donald sagt, du bist gefeuert«, sagte der Bodybuilder.
»Den Job wird man gern los«, wiederholte Jack. (Er wußte, daß dieser
Satz ihn noch lange begleiten würde.)
Draußen vor dem Lokal hielt Roberto noch immer die Schlüssel des
silberfarbenen Audis in der Hand. In diesem Augenblick fiel Jack ein, daß er in
der Brusttasche seines Hemdes den Parkzettel hatte, und auf dem stand die
Nummer des Wagens. »Du mußt einen neuen Zettel für den Audi schreiben,
Roberto«, sagte er.
»Kein Problem«, sagte Roberto.
Jack ging die Main Street hinunter bis zur Windward Avenue. Es war
ein schöner Abend,
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