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Bis ich dich finde

Bis ich dich finde

Titel: Bis ich dich finde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Wohnzimmer des Oastler-Anwesens, wie er es früher immer genannt
hatte. (Das war, bevor er ein paar wirkliche Anwesen
in Beverly Hills gesehen hatte.) Wenn Jack über Emmas Schulter blickte, konnte
er die Eingangshalle und den Fuß der Treppe sehen, wo Mrs. Machado mit so
durchschlagendem Ergebnis zugetreten hatte.
    Emma hatte ihren zweiten Roman für viel Geld verkauft. Sie war mit
dem Manuskript zu Bob Bookman bei C.A.A. gegangen, bevor sie es ihrem Verleger gegeben hatte. Diesmal hatte sie nicht
die Absicht, die Filmrechte an unerfüllbare Bedingungen zu knüpfen. Noch bevor
das Buch erschienen war, hatte Bookman die Filmrechte verkauft, und das war
genau das, was Emma wollte.
    [551]  Emmas zweiter Hollywood-Roman hieß Nett und
normal und handelte von dem, was zwei jungen Leuten aus Iowa passiert,
die nach Hollywood kommen, weil sie den Traum haben, Filmstars zu werden.
Johnny begräbt ihn als erster, bei seiner Frau Carol dauert es etwas länger.
Johnny ist zu dünnhäutig, um es als Schauspieler zu etwas zu bringen – ein paar
Castings, bei denen er Grobheiten zu hören bekommt, und er steckt auf. Außerdem
legt er Wert auf eine gesunde Lebensführung: Er trinkt keinen Alkohol, er ist
absolut geradlinig. Dank seines jungenhaften Charmes und der Tatsache, daß er
keinen einzigen Eintrag im Verkehrssünderregister hat, bekommt Johnny einen Job
als Chauffeur bei einem Limousinenservice. Binnen kurzem fährt er eine
Stretchlimousine.
    Emma hatte eine Schwäche für Ironien, und so fährt Johnny
hauptsächlich Filmstars herum. Sein noch immer vorhandener Wunsch, Schauspieler
zu sein, äußert sich darin, daß er einen Pferdeschwanz trägt – der einzige
Hinweis auf einen rebellischen Geist, der ihn von anderen Chauffeuren
unterscheidet. Der Pferdeschwanz ist sauber und gepflegt und nicht besonders
lang. (Emma beschrieb Johnny als »auf eine zarte, beinahe feminine Art
attraktiv«.) Das lange Haar steht ihm gut; Johnny schätzt sich glücklich, daß
der Limousinenservice ihm den Pferdeschwanz läßt.
    Seine Frau Carol hat nicht soviel Glück. Sie arbeitet für einen Escortservice.
Das erfüllt Johnny mit Scham, doch er gibt widerwillig sein Einverständnis.
Carol wechselt von einem Service zum anderen, in alphabetischer Folge:
»Absolute Angels«, »Beautiful Babes« und so weiter.
    Nur bei »Dark Domina« sagt Johnny nein. Aber das spielt keine Rolle,
denn Carol stellt fest, daß alle Escortservices gleich sind. Ob sie nun » L.A. Contact« oder »Secret Emotions« heißen – was man
von ihr erwartet, ist immer dasselbe: alles.
    Bei jedem Service hält Carol es nur eine Zeitlang aus: eine [552]  Woche, einen Monat oder auch nicht einmal einen Tag. Es kommt nur darauf an,
wie lange es dauert, bis einer mit Spezialwünschen kommt. Sobald Carol sich
weigert zu tun, was der Kunde will, sind ihre Tage bei diesem Service gezählt.
    Ähnlich wie Die Schundleserin warf Nett und normal ein Schlaglicht auf Emmas Sympathie für
beschädigte, zutiefst kompromittierte Beziehungen, die irgendwie trotzdem
funktionieren. Carol und Johnny hören nie auf, einander zu lieben; was sie
zusammenhält, ist ihre absolute, unerschütterliche Übereinstimmung in der
Frage, was nettes, normales Verhalten ist.
    Carol macht nur Hausbesuche. Jedesmal ruft sie Johnny an und sagt
ihm, wohin sie fährt – sie sagt ihm nicht nur das Hotel, sondern auch die
Zimmernummer und den Namen des Kunden. Sie ruft ihn an, bevor sie das Zimmer
des Kunden betritt, und noch einmal, wenn sie es wieder verläßt. Aber
Spezialwünsche sind an der Tagesordnung, und Carol verliert bei einem Service
nach dem anderen ihren Job.
    Schließlich macht Johnny einen Vorschlag: Carol soll einen eigenen
Eintrag ins Branchenbuch setzen. Das Beste, was Carol über einen Kunden sagen
kann, ist, daß er »nett« war. »Nett« bedeutet »normal«, und so nennt Carol
ihren Service »Nett und normal«.
    Emma schrieb: »Sie hätte mehr Kunden angezogen, wenn sie ihren
Service ›Mutterschaftsurlaub‹ genannt hätte. Wer will schon was Nettes,
Normales?«
    Johnny betätigt sich als ihr Zuhälter. Er hat ein paar Stammkunden,
Leute, die er zu kennen glaubt, darunter auch Filmstars. »Wahrscheinlich haben
Sie kein Interesse«, sagt er zu den netter wirkenden Herren, die er herumfährt,
»aber sollten Sie mal in die Versuchung kommen, einen Escortservice anzurufen,
dann weiß ich ein ganz besonders nettes Mädchen –
normal und nett. Wenn Sie das mögen… Nichts Ungewöhnliches,

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