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Bis ich dich finde

Bis ich dich finde

Titel: Bis ich dich finde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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nominiert, und das war mehr, als sie sich je
erträumt hatten.
    Das Schweigen der Lämmer bekam den Oscar
für den besten Film, Jodie Foster und Anthony Hopkins wurden als beste Schauspielerin
und bester Schauspieler ausgezeichnet. Es war ihr Jahr.
    Emma war nicht nominiert. Drehbuchautoren wurden von Drehbuchautoren
vorgeschlagen, und Emmas berühmte veröffentlichte Urteile wirkten noch nach.
Emma ging als Jacks Begleiterin zur Oscar-Verleihung, was die Sache sehr
unterhaltsam machte. Sie waren sich schnell darüber einig, wer die Arschlöcher [558]  waren. Bei solchen Veranstaltungen war es immer wichtig, die Arschlöcher zu
identifizieren.
    Billy Crystal war abermals der Conférencier und sagte, es habe eine
Verzögerung gegeben, »weil Jack Burns noch dabei ist, seinen BH anzuziehen«.
    Emma hatte einen recht auffälligen Knutschfleck am Hals. Er stammte
von Jack – sie hatte ihn darum gebeten. Sie war schon lange nicht mehr mit
jemandem ausgegangen, sie hielt sich für häßlich und fand das Kleid, das sie
trug, schrecklich. »Dann sieht es wenigstens so aus, als würde es einen geben,
der mich küßt, Zuckerbär.«
    Mrs. Oastler saß in Toronto vor dem Fernseher und entdeckte Emmas
Knutschfleck. »Hättest du ihn nicht wenigstens überschminken können?« fragte
sie Emma später.
    Es war der 30. März 1992, das erste Mal, daß Mrs. Oastler und Alice
aufblieben und sich die ganze Oscar-Verleihung ansahen, obwohl Jack ihnen
gesagt hatte, es werde die Mühe nicht lohnen. Er wußte, daß Anthony Hopkins den
Oscar als bester Hauptdarsteller kriegen würde, aber Leslie und Alice blieben
dennoch auf, um zu sehen, wie Jack ihn nicht bekam.
    Man zeigte immer Filmausschnitte mit den Nominierten. Jack wußte,
welche Szene sie in seinem Fall verwenden würden: Jack-als-Johnny sitzt am
Steuer der Limousine. Er wirft im Rückspiegel einen Blick auf seine Frau Carol,
die ganz allein auf dem breiten Rücksitz der Stretchlimousine sitzt. Sie
frischt ihr Make-up auf und versucht, ihre Frisur in Ordnung zu bringen; sie
ist ein bißchen zerzaust von der Begegnung mit einem recht stürmischen
Touristen im Beverly Wilshire. Jacks Blick verweilt kurz auf dem Rückspiegel,
dann richtet er sich wieder auf die Straße. Es ist ein Blick, der zwischen
stoisch und noir liegt – Jack war stolz auf diese
Großaufnahme.
    Aber wenn es ums Marketing geht, existieren Kategorien wie »zu kraß«
einfach nicht. Der Ausschnitt, den sie statt dessen [559]  zeigten, war die
Callgirl-Szene: Jack-als-Nutte bläst dem jungen Angestellten am Empfang des
Peninsula Beverly Hills seinen Bourbonatem ins Gesicht. »Es wird sie vielleicht
interessieren«, sagt Johnny-als-Nutte mit dieser rauchigen Stimme, »daß Lester
Billings ausgecheckt hat. Ich fürchte, sein Zimmer ist in keinem schönen Zustand.«
    »Die Reibachszene«, nannte Myra Ascheim das, als Emma und Jack ihr
bei der Oscar-Party im Morton’s über den Weg liefen. Es hatte ewig gedauert,
bis sie hineingekommen waren – die Limousinen stauten sich auf dem Robertson
Boulevard, so weit das Auge reichte.
    Jack kannte diesen Ausdruck nicht. »Die Reibachszene«, wiederholte
er.
    »Er ist Kanadier«, erklärte Myra. Jack sah, daß sie in Gesellschaft
ihrer Schwester Mildred war.
    »Zwei abgebrühte alte Schnepfen in der besten Nische des Hauses«,
sagte Emma später.
    »Bei einem Pornofilm«, erklärte Myra Ascheim, ohne Jack anzusehen,
»ist die Reibachszene die, in der der Mann spritzt. Entweder der Typ kommt
damit rüber, oder man hat eben nichts.«
    »Und wie nennt man das, wenn er nicht damit rüberkommen kann oder
will?« fragte Emma die Pornoproduzentin.
    »Krebse in Eiswasser«, sagte Milly. »Man muß einfach mit der
Reibachszene rüberkommen.«
    »Und das Gegenstück dazu sind Sie als Nutte, Jack«, sagte Myra
herablassend. Vielleicht war sie gekränkt, weil er sie nicht erkannt hatte.
(Sie trug keine Baseballmütze.)
    »Ich verstehe«, sagte Jack zu den Ascheim-Schwestern. Er hatte es
eilig zu gehen. Emma hielt seine Hand; er spürte, daß auch sie gern gehen
wollte. Die beiden alten Schnepfen musterten sie, und es war keine wohlwollende
Musterung.
    »Es macht nichts, daß Sie ihn nicht gekriegt haben, Jack«, sagte
Myra und fuhr fort, Emma anzustarren.
    [560]  »Aber wenn Sie ihn dann gekriegt haben, macht es etwas«,
berichtigte Milly sie.
    »Tja, wir müssen gehen – da gibt’s noch eine andere Party«, sagte
Emma. »Eine jüngere.«
    »Netter Knutschfleck«, sagte Mildred Ascheim

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