Bis ich dich finde
sie
finden.« Jack wartete, während die Frau erneut seufzte; sie nahm sich die Zeit,
ihre nächsten Worte sehr sorgfältig zu wählen. »Die Versuchung ist schrecklich
groß, Jack Burns, aber ich verkneife mir die Frage, was Sie gerade anhaben.«
Später bestellte sich Jack beim Zimmerservice etwas zu essen;
außerdem rief er beim Empfang an und bat um mehr Briefpapier. Er widerstand
sowohl dem leisen Drang, sich im O’Malley’s [785] umzutun, als auch dem
geringfügig stärkeren Verlangen, Marianne anzurufen und sie zu bitten, ihm ihre
Tätowierungen zu zeigen.
Am nächsten Morgen stand er früh auf und ging ins Motivus-Fitness-Studio.
Er war sich keineswegs sicher, wie er Hannele und Ritva ansprechen
sollte. Die Kirche, in der die beiden Musikerinnen jeden Mittag übten, hatte
den unaussprechlichen Namen Temppeliaukion Kirkko. Die Kirche im Felsen, wie
sie außerdem hieß, war in Helsinki berühmter als Hannele und Ritva. Sie lag
unterirdisch, begraben unter einer Kuppel, ein ultramoderner Bau, vermutlich
auf optimale Akustik hin entworfen. Dort fanden zahlreiche Konzerte statt, und
zwar zusätzlich zu den Sonntagsgottesdiensten, die lutherisch waren. (» Sehr lutherisch«, hatte die Frau von der Sibelius-Akademie
zu Jack gesagt – was immer das hieß.)
Ritva war die etatmäßige Organistin beim sonntäglichen
Hauptgottesdienst, doch Hannele begleitete sie häufig. Jack hatte nachgefragt,
ob es viele Stücke für Orgel und Cello gab – er hatte jedenfalls noch keine
gehört –, doch die Frau von der Sibelius-Akademie hatte gesagt, Ritva und
Hannele seien berühmt für ihre »freien Improvisationen«. Auch als Paar
improvisierten sie wohl sehr frei, dachte Jack. Wenn sie tatsächlich beide mit
Alice geschlafen und es dennoch geschafft hatten, zusammenzubleiben, wie er von
Ingrid Moe erfahren hatte, dann war ihnen erfolgreiches Experimentieren nicht
unbekannt.
Sogar ihre Proben waren berühmt. Oft gingen Leute in ihrer
Mittagspause in die Kirche im Felsen, bloß um Hannele und Ritva beim Üben
zuzuhören. In einer solchen Atmosphäre, vermutete Jack, wäre es nicht leicht,
mit ihnen zu reden; in dieser Umgebung waren Hannele, Ritva und Jack zu
bekannt, als daß sie ungestört geblieben wären. Vielleicht sollte er einfach am
frühen Nachmittag in der Kirche erscheinen und sie zum Essen einladen.
[786] Jack wollte gerade seine Übung am Bauchtrainer beenden, als er in
seinen Gedanken unterbrochen wurde. Um ihn herum hatte sich ungefähr ein halbes
Dutzend verschwitzter Frauen aus der Schwangerschafts-Aerobic-Gruppe aufgebaut.
Vermutlich war ihr Training, das gefährlich wirkende Herumgehüpfe, vorbei.
Angesichts seines noch ganz im Zeichen von Michele Maher stehenden Gemütszustandes
– von den beunruhigenden Erinnerungen an das Heft Schwangere
Girls ganz zu schweigen – schüchterte die Anwesenheit dieser Schwangeren
ihn ein.
»Hallo«, sagte er, flach auf dem Rücken liegend.
»Hallo«, gab die Aerobic-Trainerin zurück. Sie war eine
dunkelhaarige junge Frau mit markantem ovalen Gesicht und mandelförmigen Augen.
Weil sie ihm während des Aerobic-Trainings den Rücken zugekehrt hatte, bemerkte
er erst jetzt, daß sie ebenfalls schwanger war; er hatte ihr von hinten
zugesehen, wie sie die hüpfenden Frauen anleitete.
»Sie sehen aus wie Jack Burns, dieser Schauspieler«, sagte diejenige
mit dem dicksten Bauch. Jack hätte sich nicht gewundert, wenn er später
erfahren hätte, dies seien ihre letzten Worte vor dem Einsetzen der Wehen
gewesen.
»Aber das kann nicht sein – nicht, wenn Sie hier sind«, sagte eine
andere zweifelnd. »Sie sehen bloß so aus wie er, stimmt’s?«
»Es ist ein Fluch«, sagte Jack mit bitterer Stimme. »Ich kann nichts
dafür, daß ich so aussehe wie er. Ich hasse diesen
Mistkerl.« Der letzte Satz verriet ihn – es war einer von Billy Rainbows
Sätzen. Im Film sagte Jack ihn dreimal und bezog sich damit jedesmal auf jemand
anderen.
»Er ist es!« rief eine der Frauen.
»Ich habe es gleich gewußt«, sagte die mit dem dicksten Bauch. »Jack
Burns macht mir immer eine Gänsehaut, und bei Ihnen habe ich eine gekriegt,
kaum daß ich Sie gesehen habe.«
»Tja, dann – damit wäre das wohl geklärt«, sagte Jack. Er lag immer
noch auf dem Rücken.
[787] »Was für einen Film drehen Sie hier? Wer spielt noch mit?« fragte
eine von ihnen.
»Ich drehe keinen Film«, sagte er. »Ich recherchiere hier nur ein
bißchen.«
Eine der Schwangeren gab ein Ächzen von sich,
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