Bis ich dich finde
jeder geschlafen, die er kennengelernt hat, aber wie
sich herausstellt, war es meine Mutter, die so ziemlich mit jedem geschlafen
hat, darunter auch ein zwölf- oder dreizehnjähriger Junge und ein
Lesbenpärchen.
Interessant, wie? Was man alles zu wissen glaubt!
Wieder zerknüllte Jack den Bogen. Allmählich kam er zu der
Überzeugung, daß er nur mit Michele Maher kommunizieren konnte, wenn er eine
Hautkrankheit bekam. Aber halt! Hatte sie ihm nicht geschrieben, sie wünsche
ihm Glück für seine Adaption von Die Schundleserin ?
Michele war ein Emma-Oastler-Fan! Vielleicht würde ein eher literarischer
Ansatz sie beeindrucken.
Liebe Michele,
danke für Deinen Brief. Ja, ich habe Emma Oastler
nahegestanden, obwohl wir nie richtig Sex miteinander hatten. Emma hat bloß
meinen Penis gehalten. Und natürlich mußte ich mir, wie bei jeder Adaption,
gegenüber ihrem Roman gewisse Freiheiten herausnehmen. Zum Beispiel, was den
Namen des Pornostars angeht – ich sehe nicht gerade wie ein Miguel Santiago
aus, oder? Und denk bitte nicht, daß in Die Schundleserin richtige
Pornofilmszenen vorkommen werden: Die Sorte Film wird das nicht. Das
Pornographische wird gewissermaßen nur impliziert. Außerdem habe ich, wie ich
höre, einen eher kleinen (oder jedenfalls nicht so großen) Penis.
Jack konnte keinen Brief an Michele Maher schreiben. Er war [783] tatsächlich zu verdreht für Michele, und auch für jede andere, sofern sie
nicht schrecklich einsam, verrückt, noch nicht erwachsen, gramgebeugt (oder
sonstwie depressiv), untreu, tätowiert (mit einem Oktopus auf dem Hintern) oder
eine alte Dame war.
Außerdem hatte er den äußerst spärlichen Briefpapiervorrat
aufgebraucht, den das Hotel Torni seinen Gästen zur Verfügung stellte. Jack gab
der Aufregung, in die ihn die Schwangerschafts-Aerobic-Gruppe versetzt hatte,
die Schuld – ganz zu schweigen von der zusätzlichen Anspannung, die sich dem
Anblick von Schwangere Girls verdankte. Er war sogar
in Versuchung, sich das Heft zu kaufen, doch was er eigentlich wollte – und das
verstörte ihn zutiefst –, war, mit einer netten Schwangeren zu schlafen. (Zum Beispiel mit einer Ehefrau, dachte Jack; zum Beispiel mit einer, die ein Kind von ihm erwartete; zum Beispiel mit Michele Maher, hoffte er unverdrossen.)
Realistischer, denn er hatte weder Hunger noch war er zu müde, wäre
es, unten im O’Malley’s sein Glück zu versuchen und dort jemanden aufzugabeln –
oder er könnte die Kellnerin im Salve anrufen. Aber bis Marianne Feierabend
hatte, wäre er wahrscheinlich wirklich zu müde. Und der bloße Gedanke, sich im
O’Malley’s nach einer verwegenen Frau umzutun, war erniedrigend.
Der Himmel zeigte noch einen Rest Tageslicht, als Jack bei der
Sibelius-Akademie, der Musikhochschule, anrief und sich erkundigte, ob es
jemanden gebe, der ihm über den Verbleib zweier Absolventinnen, die Anfang der
Siebziger studiert hätten, Auskunft geben könne. Die Sache erwies sich als
kompliziert. Es dauerte nicht nur eine Weile, bis man ihn mit jemandem verband,
der Englisch sprach, sondern Jack wußte auch nicht einmal die Nachnamen der
beiden Absolventinnen. (Ein ziemlicher Schuß ins Dunkle!)
[784] »Ich weiß, es klingt verrückt«, sagte Jack, »aber Hannele war
Cellistin, und Ritva war Organistin, und ich glaube, die beiden waren ein
Paar.«
»Ein Paar?« fragte die Frau, die Englisch
sprach, am Telefon. Ihre Stimme hatte den zweifelnden Ton eines kompetenten
Buchhändlers, der überzeugt ist, daß der Titel des Buches, nach dem man sich
erkundigt, nicht stimmt.
»Ja, ich meine ein lesbisches Paar«, sagte
er.
Die Frau seufzte. »Ich nehme an, Sie sind Journalist «,
sagte sie. Ihr Ton war nun mehr als zweifelnd; hätte sie »Vergewaltiger« statt
»Journalist« gesagt, hätte ihre Stimme nicht abfälliger klingen können.
»Nein, ich bin Jack Burns, der Schauspieler«, sagte er. »Ich glaube,
daß diese beiden Frauen Schülerinnen bei meinem Vater William Burns, dem
Organisten, waren. Ich habe sie als Kind kennengelernt. Sie haben auch meine
Mutter gekannt.«
»So, so«, sagte die Frau. »Spreche ich wirklich mit dem Jack Burns – wirklich?«
»Ja, wirklich.«
»So, so«, sagte sie erneut. »Hannele und Ritva sind nicht so berühmt
wie Sie, Mr. Burns, aber in Finnland sind sie ziemlich bekannt.«
»Wirklich?«
»Ja, wirklich«, sagte die Frau. »In Helsinki könnten sie sich
jedenfalls nur schwer verstecken. So gut wie jeder kann Ihnen sagen, wo Sie
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