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Bis ich dich finde

Bis ich dich finde

Titel: Bis ich dich finde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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sich um ihr Flugticket und alles andere
kümmern werde. Daß Jack Burns seine Lehrerin aus der dritten Klasse zur
Oscarverleihung mitnahm, war kostenlose Publicity; es schadete auch keineswegs,
daß Emma Oastler tot war und ihn damit beauftragt hatte, ihren ersten und
besten Roman auf die Leinwand zu bringen. Den »Todesaspekt« hatte Jack [865]  das
genannt. Wie sich herausstellte, brachte auch das kostenlose Publicity, und
zwar sowohl für Miramax als auch für Jack Burns.
    Die Frage, was Miss Wurtz anziehen würde, sorgte für eine nüchterne
Rückkehr zum Kern der Angelegenheit. Jack sagte ihr, daß er zur Preisverleihung
von Armani eingekleidet werde. (Sie hatten angerufen, er hatte sich
einverstanden erklärt: So wurde das üblicherweise gehandhabt.)
    » Wer kleidet dich ein?« fragte die Wurtz.
    »Armani – der Modeschöpfer, Caroline. Die Kandidaten und ihre Gäste
werden zur Preisverleihung von verschiedenen Modeschöpfern eingekleidet. Wenn
es einen bestimmten Modeschöpfer gibt, der Ihnen gefällt, könnte ich das
bestimmt arrangieren. Oder Sie tragen einfach auch etwas von Armani.«
    »Ich glaube, ich kümmere mich selbst um meine Garderobe, wenn es dir
nichts ausmacht«, erwiderte Miss Wurtz. »Ich habe ein paar wunderschöne
Kleider, die mir dein Vater gekauft hat. William wird es sich natürlich
ansehen. Was wird er stolz auf dich sein! Ich möchte nicht, daß er mich in
einem Kleid sieht, das er nicht für mich ausgesucht hat, Jack.«
    Auch das war eine interessante Vorstellung: daß Jacks Vater sich das
Ganze ansehen würde. Die Wurtz würde sich für ihn feinmachen!
    »Du mußt mir sagen, wer wofür nominiert ist«, sagte Caroline. »Dann
sehe ich mir sämtliche Filme an.«
    Jack fragte sich, wie viele Jurymitglieder wohl mit der
Gewissenhaftigkeit einer Grundschullehrerin zu Werke gingen, doch als er bei
der Wiedergabe seiner Lebensgeschichte schließlich zu seinem Oscar kam,
bezeichnete Dr. García die Sache mit der Gewissenhaftigkeit als Beispiel für
seinen übertriebenen Hang zu Einschüben.
    Jack bezweifelte, daß alle für einen Oscar nominierten Filme noch in
Toronto im Kino liefen. Durchaus möglich, daß gar nicht [866]  jeder dort gelaufen
war. Aber er wußte, das würde Miss Wurtz nicht von dem Versuch abhalten, sich
alle anzusehen.
    Fast hätte er Leslie Oastler angerufen, um sich bei ihr für den
Vorschlag zu bedanken, die Wurtz als Begleiterin zur Preisverleihung
mitzunehmen, aber er wollte nicht riskieren, Leslies Blondine an den Apparat zu
bekommen.
    »Dolores«, wäre er dann nämlich versucht zu sagen, »ich wollte ein
großes Paket ankündigen, das zu euch unterwegs ist – noch mehr von meiner
Garderobe. Wenn du oder Leslie so nett wärt, die Sachen in meinen Schrank zu
hängen, sobald sie da sind, wäre ich euch sehr dankbar. Ich möchte nicht, daß
sie zerknittert sind, wenn ich das nächste Mal komme.« Oder etwas in dieser
Art. Natürlich rief Jack nicht an. (Hätte Dr. García davon gewußt, wäre sie
stolz auf ihn gewesen, weil er sich solcher Zurückhaltung befleißigte.)
    Die mit zwei Schlafzimmern ausgestattete Suite im Four Seasons
in Beverly Hills, wo Miramax sie beide für das lange Oscar-Wochenende
untergebracht hatte, war größer als Miss Wurtz’ Wohnung – jedenfalls behauptete
sie das. Es gab sogar ein Klavier, auf dem Miss Wurtz gern in ihrem
hoteleigenen weißen Frotteebademantel spielte. Sie behauptete, nur
Kirchenlieder und die Schullieder von St. Hilda zu können, aber sie hatte eine
hübsche Stimme, und sie spielte gut.
    »Ach was, ich spiele nicht gut, nicht entfernt so gut wie dein
Vater, der mich immer damit aufgezogen hat«, sagte sie. »›Caroline‹, hat er
immer gesagt, ›wenn es noch ein kleines bißchen zaghafter sein soll, könntest
du versuchen, die Tasten anzuhauchen, anstatt die Finger zu nehmen.‹ Er konnte
ganz schön witzig sein, dein Vater. Ich wünschte, du würdest mir mehr von deiner
Reise erzählen, Jack. Fang doch einfach mit Kopenhagen an. Dort war ich noch
nie.«
    Vor der Preisverleihung fanden immer jede Menge Partys [867]  statt. Als
Nichttrinker, der sich von seiner Grundschullehrerin, einer Frau Mitte Sechzig,
begleiten ließ, fühlte sich Jack im bacchantischen Treiben vieler seiner
Kollegen aus der Filmindustrie fehl am Platze. Aber sie gingen auf die Partys,
auf denen man ihm sein Fernbleiben verübelt hätte, auch wenn sie sich dort die
meiste Zeit nur ruhig miteinander unterhielten.
    Nachdem er Dr. García

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