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Bis ich dich finde

Bis ich dich finde

Titel: Bis ich dich finde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Chancen auf einen Oscar hatte.
Natürlich sah er die Auszeichnung als Emmas Oscar. Schließlich war es ihr Film!
    Ja, Jack hatte bei der Detailarbeit an dem Drehbuch, das Emma ihm
gegeben hatte, einiges über das Drehbuchschreiben gelernt. Doch als
Geschichtenerzähler lernte er mehr aus seiner Therapie bei Dr. García. (Nicht
zuviel vorwegnehmen, Vorsicht mit Einschüben, die chronologische Reihenfolge
einhalten.)
    Miramax’ Werbekampagne für Die Schundleserin war strapaziös, und im Februar und März des Jahres 2000 hatte Jack den
Löwenanteil daran getragen. Wild Bill Vanvleck war wieder in Amsterdam; seine
erheblich jüngere Freundin war Moderatorin beim holländischen Fernsehen, und
Wild Bill war schwer in sie verknallt. Außerdem war Vanvleck, allerdings nur in
diesem Fall, eine Katastrophe, was die Werbung für seinen eigenen Film anging.
Daß die Pornographie in den Vereinigten Staaten eine derart umstrittene Frage
war, erboste den Verrückten Holländer; in den Niederlanden habe kein Mensch damit
ein Problem. »Ein Problem ist sie nur im puritanischen Amerika, das von der [863]  christlichen Rechten beherrscht wird!« verkündete Vanvleck. (Wahrscheinlich
tat Miramax gut daran, Wild Bill – abgesehen von den Filmfestivals – in
Amsterdam zu lassen.)
    Nach ihrem tragischen, einmaligen Irrtum in Venedig war Lucia
Delvecchio Jack aus dem Weg gegangen. Auch dem Film hatte sie praktisch den
Rücken gekehrt. Jacks alte Freundin Erica Steinberg machte die PR für Miramax. Mit ihr hatte Jack in den Printmedien
und im Fernsehen praktisch pausenlos die Trommel für Die
Schundleserin gerührt.
    Am Abend nach seinem Auftritt bei Larry King Live rief er Leslie Oastler an und fragte sie, ob sie ihn zur Oscarverleihung
begleiten würde. ( Scheiß auf die Blondine, dachte
er.)
    »Ich bin geschmeichelt, daß du an mich denkst, Jack«, begann Mrs.
Oastler. »Aber wie wäre das wohl für Dolores? Außerdem wüßte ich gar nicht, was
ich anziehen sollte.«
    »Es ist Emmas Nacht, Leslie«, sagte Jack.
    »Nein, es wird deine Nacht, Jack. Emma ist tot. Warum gehst du nicht
mit Miss Wurtz?« fragte Mrs. Oastler ihn.
    »Mit der Wurtz? Du machst wohl Witze!«
    »An mich wäre ein Oscar verschwendet. Was soll ich mit einem
goldenen, nackten Kerl mit Glatze und einem Ding in der Hand, das angeblich
sein Schwert ist?« Leslie Oastler hatte schon immer eine sehr pointierte
Betrachtungsweise gehabt.
    Am nächsten Morgen rief er Caroline Wurtz an und fragte sie, ob sie
erwägen würde, nach Los Angeles zu kommen und ihn zur Oscarverleihung zu
begleiten.
    »Ich habe so viele schreckliche Dinge über Schüsse aus fahrenden
Autos gehört«, sagte Miss Wurtz. »Aber bei der Preisverleihung wird ja wohl
nicht geschossen, oder?«
    »Nein«, sagte er. »Dort fügen sie einem nur innere Verletzungen zu.«
    »Tja, dann sollte ich mir wohl den Film ansehen, nicht wahr?« fragte
Caroline. »Von Leuten, die ihn gesehen haben, habe ich [864]  sowohl Schönes als
auch Abstoßendes gehört. Wie du weißt, gehörte deine Freundin Emma nie zu
meinen Lieblingsschriftstellerinnen.«
    »Ich finde, der Film ist ziemlich gelungen«, sagte Jack. Längeres
Schweigen trat ein, als dächte Caroline über die Einladung nach. Vielleicht
hatte sie aber auch vergessen, daß er sie überhaupt eingeladen hatte. Jack war
ein wenig verstimmt darüber, daß sie Die Schundleserin nicht gesehen hatte. (Immerhin war der Film für fünf Oscars nominiert!
Sämtliche Bekannten Jacks hatten ihn gesehen.)
    »Kannst du denn nicht jemand anders fragen, Jack? Bestimmt gibt es
jemanden, der geeigneter ist als ich«, sagte Caroline.
    »Ich bin seit ein paar Jahren in psychiatrischer Behandlung«,
gestand er ihr. »Ich bin nicht in bester Verfassung.«
    »Du meine Güte!« rief Miss Wurtz. »Wenn das so ist, komme ich
natürlich mit. Wenn Mrs. McQuat noch am Leben wäre, würde sie bestimmt auch
gern mitkommen!«
    Das war nun wirklich eine interessante Vorstellung! Auf Mrs. McQuats
Drängen hatte er Miss Wurtz zu jenem höchst denkwürdigen Filmfestival in
Toronto mitgenommen, das er mit Claudia besucht hatte: Die Wurtz war überzeugt
gewesen, die Schwachköpfe, die gegen den Godard-Film protestierten, seien
empört über den rituellen Selbstmord in dem Mishima-Film. Er fragte sich,
welche Verwechslungen ihr wohl in der Nacht der Preisverleihung im Shrine Civic
Auditorium unterlaufen würden. Für wen würde sie etwa Oscar-Moderator Billy
Crystal halten?
    Er erklärte ihr, daß er

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