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Bis ich dich finde

Bis ich dich finde

Titel: Bis ich dich finde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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bezeichnet hatte, aber
nach Jacks Einschätzung war ein Oscar länger als der Penis eines
Pornodarstellers und erheblich schwerer. Mit so einem Ding pinkeln zu gehen,
war nicht empfehlenswert.
    Es war diese Erfahrung von kindlicher Unbeholfenheit, die ihn [880]  daran erinnerte, wie Marja-Liisas vierjähriger Sohn im Hotel Torni in seine
Parkatasche gepinkelt hatte. Jack fand sozusagen den richtigen Dreh nicht. Er
versuchte, sich den Oscar unter den Arm zu klemmen, aber das funktionierte
nicht besonders gut. Wenn man gerade seinen ersten Oscar bekommen hat und ganz
genau weiß, daß man vermutlich nie wieder einen bekommt, ist man wenig geneigt,
ihn auf dem Boden einer öffentlichen Herrentoilette abzustellen, und man
versucht auch nicht, ihn auf dem oberen Rand des Beckens zu balancieren, indem
man lediglich mit dem Kinn Kontakt zu Oscars kahlem Schädel hält.
    Jack war froh, daß er in der Herrentoilette allein war. Niemand wurde
Zeuge seines peinlichen Bemühens – glaubte er jedenfalls. Denn plötzlich sah er
am anderen Ende der Reihe von Urinalen, daß doch noch jemand da war. Der
Betreffende schien sein Geschäft erledigt zu haben – daß Jack dazu nicht
imstande war, war nicht zu übersehen.
    Der Mann war breitschultrig, mit dem durchtrainierten Körper eines
Gewichthebers und einem unzerbrechlich wirkenden Kinn. Jack erkannte ihn nicht
sofort, und er erinnerte sich auch nicht, daß der frühere Bodybuilder einen
Preis überreicht hatte. Aus seiner Perspektive kam es ihm so vor, als liege
eine Footballfeldlänge zwischen ihm und dem anderen Ende der Reihe von
Urinalen. Allerdings kannte er sogleich den unnachahmlichen österreichischen
Akzent des kräftig gebauten Mannes.
    »Soll ich Ihnen mit dem Ding da zur Hand gehen?« fragte Arnold
Schwarzenegger.
    »Nein danke, ich komme schon zurecht«, antwortete Jack.
    »Mein Gott, ich hoffe, er wollte dir nur mit dem Oscar zur Hand
gehen!« sagte Miss Wurtz später, als Jack ihr davon erzählte. Natürlich hatte
Arnold den Oscar gemeint – er war einfach bloß nett gewesen! (Daß der künftige
Gouverneur von Kalifornien sich erboten haben könnte, Jacks Penis zu halten,
war undenkbar!)
    [881]  Hinter der Bühne ging es zu wie im Irrenhaus. Beim nächsten
Fernsehwerbespot kehrte Jack an seinen Platz im Auditorium zurück. Er wollte
Miss Wurtz nicht unbeaufsichtigt lassen. Gut möglich, daß sie Harvey Weinstein
nach seinen bedeutendsten Kämpfen fragte. Oder, Gott bewahre, es kam zu einem
Stromausfall, und ihr Erlebnis in der Fledermaushöhle des Royal Ontario Museum
kehrte als unkontrollierbarer Erinnerungsschub wieder! Aber der Abend näherte
sich langsam dem Ende. Die Schundleserin hatte ihren
einzigen Oscar gewonnen. Es war der Abend von American
Beauty, aber es war auch Jacks und Emmas Abend.
    Daß beim Board of Governors Ball, der Abendgesellschaft im Shrine
Auditorium im Anschluß an die Preisverleihung, kein Mensch Anstalten machte zu
tanzen, verblüffte Miss Wurtz. Ganz gleich wie oft man es ihr erklärte, sie
ließ sich einfach nicht überzeugen, daß Ball ein
angemessenes Wort für die Veranstaltung war, aber was kümmerte es Jack? Er war
glücklich.
    Beim Essen saßen sie an einem Tisch mit Meryl Streep, die ihre
Tochter mitgebracht hatte. Jack konnte förmlich sehen, wie sich die Rädchen in
Miss Wurtz’ Kopf drehten: Da war die Frau aus Sophies Wahl mit einem richtigen, lebendigen Kind! Er sagte zu Erica, er finde, sie sollten
aufbrechen und zu einer anderen Party gehen, ehe Caroline in Worte faßte, was
auch immer ihr durch den Kopf ging.
    Als nächstes gingen sie zur Party von Vanity Fair im Morton’s: Erica verschaffte ihnen irgendwie Zutritt. Jack wußte noch, wie
lange er und Erica in der Nacht, als er zwar nominiert gewesen, aber leer
ausgegangen war, darauf gewartet hatten, dort Einlaß zu finden. Wenn man
gewann, sah eben alles ganz anders aus. Ihr Fahrer schwenkte den goldenen,
nackten Kerl mit der Glatze aus dem Fenster, und man lotste sie rasch durch den
Verkehr. Unter anderem schien auch Hugh Hefner bereits da zu sein, vermutlich deshalb,
weil er nicht im Shrine gewesen war. Der Gründer [882]  des Playboy hatte Sandy und Mandy, die sattsam bekannten Zwillinge, dabei.
    Hef brachte Caroline mehr in Rage als die Pornographiegegner: »Was
hat dieser alte Lustmolch eigentlich mit diesen jungen Mädchen zu schaffen?«
fragte sie Erica und Jack.
    Rob Lowe, Mike Meyers und Dennis Miller waren in ein Gespräch
vertieft, verstummten jedoch,

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