Bis ich dich finde
kaum daß Jack in ihre Nähe kam. Wenn ihm das bei
Männern passierte, glaubte Jack jedesmal, daß sie über ihn als Frau geredet
hatten. Zufällig war er gerade wieder auf dem Weg zur Toilette. Diesmal
allerdings hatte er seinen Oscar bei Erica und Miss Wurtz gelassen.
Als nächstes gingen sie zur Miramax-Party in der Polo Lounge des
Beverly Hills Hotel. Jack wußte, dort waren Richard und Wild Bill, und er
wollte unter Freunden sein. Miss Wurtz vermied es abermals, gegenüber Harvey
Weinstein irgendwelche Bemerkungen über das Berufsboxen fallenzulassen.
Sie trank ein bißchen zuviel Champagner. Jack trank ein Bier, ein
Heineken, dessen Flasche neben dem Gold seines Oscars besonders grün wirkte.
(Er konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal ein ganzes Bier
getrunken hatte – vielleicht als College-Student.)
In einem anderen Bereich des Beverly Hills Hotel fand eine Frühstücksparty
statt, zu der sie ebenfalls gingen. Sie mußte um drei oder vier Uhr morgens
angefangen haben. Roger Ebert war da und nahm sein Frühstück auf einem Bett zu
sich, was Jack eigenartig fand. Er war nett zu Roger, obwohl dieser Die Schundleserin verrissen hatte. Rogers Frau und seine
Tochter erwiesen sich als ausgesprochen sympathisch; ihnen habe der Film gefallen, ließen sie Miss Wurtz wissen. Und Jack gefiel die
Vorstellung, daß er und Emma vielleicht für eine Auseinandersetzung in der
Familie Ebert gesorgt hatten.
Gegen fünf Uhr sagte Jack zu Miss Wurtz, er sei müde und wolle zu
Bett gehen. »Wir können zum Hotel zurückfahren, [883] Jack«, sagte sie, »aber zu
Bett gehen lasse ich dich erst, wenn du mir vom zweiten Mal in Amsterdam
erzählt hast.« Sie habe schon den ganzen Abend daran denken müssen und könne
bestimmt erst schlafen, wenn sie die Geschichte gehört habe.
Jack sagte Erica, daß sie gehen müßten, und sie fuhr mit ihnen in
der Limousine zum Four Seasons zurück. In einer Nebenstraße in Beverly Hills
blieben sie hinter einem Müllwagen hängen, dem einzigen Fahrzeug, dem sie um
diese Zeit begegneten. Der Abfallgeruch zog zu ihnen in die Limousine, wie um
Jack daran zu erinnern, daß es auch mit einem frischgewonnenen Oscar in der
Hand Dinge gab, denen man nicht entkommen konnte und die einen immer wieder
einholten.
Es fiel ihm nicht schwer, Miss Wurtz von der Sache in Amsterdam
zu erzählen: Schwierig wurde es erst am Ende der Geschichte. Dr. García wäre
stolz auf ihn gewesen – keine Tränen, kein Geschrei. Als er sagte, er sei bei
jenem ersten Treffen mit Richard Gladstein und William Vanvleck nur mit halbem
Herzen bei der Sache gewesen, weil er unentwegt an den anderen William habe
denken müssen, strömte die Sonne Südkaliforniens durch die offenen Fenster des
Wohnzimmers ihrer Suite im Four Seasons herein. Die Füße auf der Glasplatte des
Couchtisches, auf dem der Oscar schimmerte, saßen Miss Wurtz und Jack in ihren
weißen Frotteebademänteln nebeneinander auf der Couch. Miss Wurtz’ Zehennägel
waren rosarot lackiert. Auf ihren Zehennägeln, dem Oscar und dem glänzenden
schwarzen Flügel, der wie eine Ölpfütze schimmerte, schien das Sonnenlicht
besonders kräftig zu leuchten.
»Bitte schau nicht auf meine Füße, Jack«, sagte Miss Wurtz. »Meine
Füße sind das Älteste an mir. Ich muß wohl mit den Füßen zuerst auf die Welt
gekommen sein.«
Doch Jack war meilenweit entfernt, in dunkler Nacht – das Licht der
Straßenlaternen spiegelte sich in der Herengracht. [884] Richard Gladstein, Wild
Bill Vanvleck und er hatten sich in einem Restaurant namens Zuid Zeeland
miteinander unterhalten, und Wild Bills viel jüngere Freundin Anneke, die
Moderatorin, hatte nervös und gelangweilt gewirkt. (Wieviel Spaß macht es wohl,
als junge, grünäugige Schönheit mit drei Männern zusammenzusitzen, die einen
ignorieren und sich statt dessen miteinander unterhalten, und das auch noch
über die Verfilmung eines Buches, das man nicht gelesen hat?)
Sowenig Jack auch mit dem Herzen bei der Sache war, erkannte er
doch, daß er, Richard und Wild Bill auf einer Wellenlänge lagen; offenbar waren
sie sich einig darüber, wo das Drehbuch noch kleine Änderungen vertrug und
welchen Ton der Film haben mußte. Richard fielen immer wieder die Augen zu: Er
litt noch unter Jetlag. Wild Bill zog ihn damit auf, daß er erst schlafen
dürfe, wenn er die Rechung beglichen habe. »Produzenten zahlen die Rechnungen!«
tönte Vanvleck, der für sein Leben gern Rotwein trank.
Draußen an der
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