Bis ich dich finde
ein Andenken an ihren
Besuch haben wollen und den Stringtanga deshalb vor der Polizei versteckt. Dann
habe er es sich offenbar anders überlegt und den Stringtanga zusammen mit dem
anderen »Belastungsmaterial« weggeworfen. (Der Stringtanga sah im Fernsehen sehr
klein aus. Man [927] gewann den Eindruck, Jack hätte ihn einem Kind weggenommen.)
Er mußte zuerst das Schmierblatt lesen, ehe er vollständig begreifen
konnte, was an den Fotos (besonders an denen, die sich nicht fürs Fernsehen
eigneten) belastend war. Er verließ das Hotel und ging hinüber zum Book Room.
Charles Burchell war Buchhändler; bestimmt wußte er, wo man in Halifax
Zeitschriften bekam. Natürlich hatte er bereits ein Heft der Filmzeitschrift.
»Ich habe Sie im Hotel angerufen, Jack, aber dort hieß es, Sie
schlafen.« Sämtliche Verkäuferinnen im Book Room wichen Jacks Blick aus. Alle
hatten sie die Fotos gesehen und die anzügliche Geschichte gelesen.
Das Titelfoto der Zeitschrift zeigte Lucy, wie sie, gleichsam als
pornographisches Ornament, nackt an Jacks Hals hing. Beide Polizisten schienen
ebenso heftig mit Jack wie mit Lucy zu rangeln. Die Fotos im Inneren des Hefts
– besonders diejenigen, die man aus seinem Müll gefischt hatte – waren nicht
weniger verheerend. Der pinkfarbene Stringtanga war nicht nur sehr klein,
sondern auch noch feucht. Das Nacktfoto von Emma mit siebzehn war aus
Anstandsgründen nachbearbeitet worden. Jack fand, daß der schwarze Balken über
ihren Augen sie auch für jeden, der sie in diesem Alter gekannt hatte,
unkenntlich machte. Und wer außer ihm selbst hatte sie denn in diesem Alter
nackt gekannt? (Er hatte vergessen, daß Mrs. Oastler mit dem Foto vertraut
war.)
Was die Fotos seiner Mutter anging, so hatte sich die Zeitschrift
mit nur einem begnügt. Zwei schwarze Balken verdeckten Alice’ Brustwarzen. Das
Foto von Emma hatte im Müll so sehr gelitten, daß man ihre Brustwarzen nicht
sehr deutlich erkennen konnte. Man hatte sich nicht die Mühe gemacht, sie zu
verdecken, war aber immerhin so anständig gewesen, das Foto oberhalb der Taille
abzuschneiden.
In dem Artikel wurde auch Dr. García erwähnt. Jack war sich sicher,
daß sie jeden Kommentar verweigert hatte. Doch ein [928] früherer Patient, dessen
Name nicht genannt wurde und der die Methoden der Therapeutin als »unorthodox,
um es milde auszudrücken« bezeichnete, sagte, Dr. García rate ihren Patienten
strikt davon ab, sich miteinander zu verabreden. Jack war vollkommen klar, daß
Dr. García keinen Moment lang glaubte, er habe sich mit Lucy verabredet, aber
man wußte schließlich, welche Sorte von Zeitschriften so etwas machten: Die
Geschichte wurde nur angedeutet, nichts wurde explizit gesagt. Sogar die
Schlagzeile führte absichtlich in die Irre und konnte nur als Volltreffer
bezeichnet werden.
JACK BURNS BESTREITET TECHTELMECHTEL,
ABER WAS VERSTECKT ER IN SEINEM MÜLL?
Jack hatte nichts getan, stand aber als der Schuldige da. Es war zu verdreht, wie Michele sagen würde.
Charles Burchell war ein guter Kerl: Er sprach Jack sein
aufrichtig empfundenes Beileid aus. Bis Jack ins Prince George zurückkam, hatte
er hämmernde Kopfschmerzen. Er nahm zwei Tylenol, oder vielleicht war es auch
Advil – später erinnerte er sich nicht mehr daran, etwas genommen zu haben.
Er machte sich einen Spaß daraus, seine Nummer in L.A. anzurufen und sämtliche Nachrichten auf seinem
Anrufbeantworter abzuhören. Bedauern von Richard Gladstein, Bob Bookman und
Alan Hergott. Wild Bill Vanvleck hatte von Amsterdam aus angerufen. (Später kam
Jack dahinter, daß die Freundin des Verrückten Holländers als erste in den
Niederlanden über den Skandal berichtet hatte.) Irgendwer, der mit St. Hilda zu
tun hatte, hatte Leslie Oastler auf die Geschichte aufmerksam gemacht. Sie
hatte eine Stinkwut. »Nicht zu fassen, daß du das Foto von Emma und die Bilder
deiner Mutter aufgehoben hast. Du Idiot, Jack!«
[929] »Es wundert mich, daß Sie mich nicht angerufen haben«, hörte er
Dr. Garcías Stimme auf seinem Anrufbeantworter sagen. »Ich hoffe doch, Sie
haben Ihre Meinung geändert, was den Zwischenstopp in Boston angeht, oder
Michele hat es sich anders überlegt. Und ich würde von jedem weiteren Kontakt
mit Lucy abraten, Jack. Wir sollten vielleicht neu überlegen, wieviel Zeit Sie
im Wartezimmer verbringen. Nicht, daß Sie noch Lucys Mutter begegnen.«
Jack fragte sich, wie dem Schmierblatt dieser kleine Leckerbissen
hatte entgehen können
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