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Bis ich dich finde

Bis ich dich finde

Titel: Bis ich dich finde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Mrs. Wicksteed beigebracht hatte. (Als er Doug McSwiney in der
Bar des Prince George die Hand entgegengestreckt hatte, war er zum ersten Mal
nett gewesen.) Natürlich wußte er, daß McSwiney zu betrunken und zu aggressiv
war, um das zu begreifen. Der Autor fuhr einfach mit seiner Geschichte fort.
    »Die kleine Französin hat einen Pagen gerufen, und zusammen haben
sie Jack Burns auf einen Gepäckwagen geladen. Und dann haben sie ihn wie ein
Baby im Kinderwagen in sein Zimmer gekarrt!« sagte McSwiney. Die beiden Männer
lachten, nicht aber die Frauen. Die Frauen waren angespannt und auf der Hut.
    Als Jack dem dicken Mann die Hand in den Nacken legte und [932]  das
Zottelhaupt sanft in Richtung Teller drückte, wußte er bereits, daß McSwiney
der stärkere von ihnen beiden war. Deshalb war er darauf gefaßt, daß der andere
beide Hände auf den Tisch stemmen und sich hochwuchten würde. Er rechnete nicht
damit, McSwiney mit einer Hand unten halten zu können. Er wollte lediglich, daß
McSwiney die Arme ausbreitete und sich gegen den Tisch stemmte, denn das würde
es ihm erleichtern, einen Doppelnelson anzusetzen, ehe McSwiney aufstehen
konnte.
    Er schob in McSwineys Nacken eine Hand über die andere, und stieß
den Autor mit dem Gesicht in seine Paella, und zwar bis zu den Ohren. Er spürte
das warme Essen an seinen Handgelenken. Ein mit safrangelbem Reis überzogener
Shrimp flutschte vom Teller, desgleichen ein Stück Wurst. McSwiney wühlte mit
dem Gesicht in der Paella herum, um sich Luft zu schaffen.
    Es gibt mehrere Gründe, warum ein Doppelnelson beim Ringkampf
verboten ist. Es stimmt, daß man jemandem mit diesem Griff das Genick brechen
kann, aber das ist – aus Ringersicht – nicht das einzige, was dagegen spricht.
Es ist fast unmöglich, den Gegner mit einem Doppelnelson zu fixieren, es sei
denn, man bricht ihm das Genick. Und es ist sehr schwer, sich aus diesem Griff
zu befreien. Der Doppelnelson ist also nicht nur gefährlich, sondern auch eine
probate Verzögerungstaktik.
    McSwiney konnte sich nicht rühren: Er hatte keinen Hebel, zumal er
auf einem Stuhl saß. Jack drückte ihn weiterhin in die Paella. Die Stirn des
pelzgesichtigen Autors wurde gegen den Tellerboden gepreßt. Nach den Geräuschen
zu urteilen, die er von sich gab, mußte er Reis in die Nase bekommen haben.
Seine beiden männlichen Freunde grinsten nicht mehr: Jack ließ sie keinen
Moment aus den Augen. Wäre einer von ihnen aufgestanden, wäre Jack vom
Doppelnelson zu einem Hammerlock übergewechselt, womit er McSwineys rechten
Ellenbogen am rechten Ohr vorbeigedrückt und ihm höchstwahrscheinlich das [933]  Schlüsselbein gebrochen, mit Sicherheit aber die rechte Schulter ausgekugelt
hätte. Dann hätte er sich die beiden anderen vorgenommen, den kräftiger
wirkenden zuerst.
    Doch er sah, daß von dieser Seite kein Ärger drohte: Die beiden
Männer blieben einfach sitzen. McSwiney brachte mehr auf die Waage als sie
beide zusammen, und sie konnten selbst erkennen, daß ihr Freund keine allzu
gute Figur machte. Die Frauen waren nervöser als die Männer. Sie wechselten
Blicke und schauten immer wieder in Jacks Gesicht, nicht auf McSwineys Kopf in
der Paella.
    McSwiney hörte sich an, als äße er immer noch, doch es klang, als
äße er mit der Nase. Hätte er zu würgen begonnen, hätte Jack ihn vom Stuhl
gekippt und eine Bauchpresse angesetzt, bis McSwiney sich auf den Boden
übergeben hätte. Aber das war nicht nötig. Der Autor atmete normal, nur eben
geräuschvoll. Auch ohne den Paellafaktor atmet ein Dicker mit dem Kinn auf der
Brust nicht allzu bequem.
    »Autoren!« sagte Jack, eher an McSwineys Freunde als an diesen
selbst gewandt. »Können nicht mal essen, ohne zuviel zu quatschen.«
    Eine der Frauen lächelte, wodurch sie als Begleiterin McSwineys
ausschied – oder auch nicht.
    Jack drückte das Kinn auf McSwineys Schädeldecke, denn er wollte
sichergehen, daß dieser ihn auch verstand. »Da ist noch etwas mit Ihrem
Drehbuch«, sagte er. »Was glauben Sie eigentlich, was einem Transen-Stricher
1917 in einer Stadt voller Seeleute passiert wäre? Irgendein Matrose hätte ihn
umgebracht, und zwar lange vor der Explosion. Ihre Geschichte ist nicht nur
schlüpfrig und banal, sondern außerdem unplausibel.«
    Jack merkte, daß McSwiney etwas zu sagen versuchte, aber er wollte
nicht zulassen, daß sich der übergewichtige Autor aus seiner Paella herauswand.
Die Frau, die Jack angelächelt hatte, sprach für McSwiney.
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