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Bis ich dich finde

Bis ich dich finde

Titel: Bis ich dich finde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Fingerübungen Joggen – je nach Wetter«, fuhr Dr. Horvath
fort. »Manchmal auch eine Fahrt in die Stadt mit Hugo.«
    »Über Hugo haben wir eigentlich noch nicht gesprochen«, sagte
Professor Ritter zu den anderen.
    »Müssen wir denn über ihn sprechen?« fragte Dr. von Rohr. »Geht es
nicht auch ein andermal? Ich frage nur.«
    »Manchmal – ich meine nach den Fingerübungen – braucht William auch
noch einmal Eiswasser, nicht wahr?« fragte Dr. Berger.
    »Es scheint zu helfen«, sagte Dr. Krauer-Poppe resigniert.
    »Mittagessen – ich meine nach dem Joggen«, fuhr Dr. Horvath fort.
    [1066]  »Oder nach der Fahrt mit Hugo«, sagte Dr. Berger kopfschüttelnd.
    »Nicht jetzt, Manfred!« sagte Dr. von Rohr.
    »Nach dem Mittagessen noch einmal heißes Wachs«, bemerkte Dr.
Krauer-Poppe. »Und auch noch einmal Eiswasser. Dabei sieht er sich oft einen
Film an.«
    »Und zwar einen von Ihren«, sagte Dr. Berger zu Jack. »Jeden
Nachmittag einen anderen Jack-Burns-Film.«
    »Und am Abend noch einen!« rief Dr. Horvath. »Vor dem Schlafengehen
stets ein Film!«
    »Sie greifen vor, Klaus«, sagte Dr. von Rohr.
    Sie betraten das Gebäude mit der Gymnastikhalle, die wie ein
Tanzstudio ausgestattet war. Sämtliche Wände waren mit Spiegeln und Stangen
versehen. Ein Bechstein-Fügel schimmerte glänzend schwarz wie das Fell eines
gutgepflegten Tiers im Spätnachmittagslicht.
    »Fingerübungen sowohl bei der Vormittags- als auch bei der
Nachmittagsgruppe«, sagte Dr. Krauer-Poppe und deutete auf das Klavier. »Nach
dem Film am Nachmittag spielt er dann noch einmal. Diesmal nicht für die
Tänzer, sondern für die Yogagruppe. Die Musik ist dann stimmungsvoller,
sanfter, eine Art Hintergrundmusik, könnte man sagen. Aber solange im Raum
Tageslicht herrscht, trägt er stets die Augenbinde.«
    »Wenn er Krämpfe in den Fingern bekommt, kann das für die Yogagruppe
beunruhigend sein«, warf Dr. Berger ein. »Für die Tänzer weniger, auch wenn
William deutlich sichtbar Schmerzen hat.«
    »Er haßt es, wenn er aufhören muß zu spielen«, sagte Dr.
Krauer-Poppe. »Er überfordert sich.«
    »Nun ja…«, sagte Professor Ritter. »Nach der Yogagruppe halten wir
dann wieder Eiswasser bereit – und auch heißes Wachs, wenn er möchte.«
    »Und noch einmal Eiswasser«, stellte Dr. Berger fest; er [1067]  achtete
darauf, daß Jack sämtliche Fakten in der richtigen Reihenfolge bekam.
    »Gymnastik!« fuhr Dr. Horvath armeschwenkend fort. »Besonders wenn
das Joggen ausgefallen ist. Bloß ein paar Bauchaufzüge, ein paar
Ausfallschritte, ein paar Sprünge!« (Dr. Horvath demonstrierte die
Ausfallschritte und die Sprünge, so daß seine großen Füße auf den Parkettboden
der Gymnastikhalle donnerten.)
    »Dreimal die Woche haben wir Gruppentherapie – die Patienten reden
über den Umgang mit ihrer jeweiligen Störung. Ihr Vater spricht ziemlich gut
Deutsch«, sagte Professor Ritter zu Jack. »Und seine Konzentrationsfähigkeit
wird immer besser.«
    »Solange niemand anfängt, eine Melodie zu summen«, warf Dr. Berger
ein. »Das kann er nicht leiden.«
    »Ist das auch ein Auslöser?« fragte Jack.
    »Nun ja…«, sagte Professor Ritter.
    »Jeden zweiten Mittwoch haben wir einen Filmabend – allerdings
zeigen wir da normalerweise keinen Jack-Burns-Film«, stellte Dr. Berger fest.
»Einmal die Woche gibt es einen Spieleabend, den William nicht mag, aber das
Erzählcafé, das liebt er – da lesen wir oder die Patienten Geschichten vor. Und
es gibt einen Abend, an dem die jüngeren Patienten unsere gerontopsychiatrische
Station besuchen. William empfindet viel Mitgefühl für unsere älteren
Patienten.«
    »Manchmal bringen wir die älteren Patienten abends auch in die
Gymnastikhalle, wo sie William gern im Dunkeln Klavier spielen hören«, sagte
Dr. von Rohr.
    »Ich höre das auch gern!« rief Dr. Horvath.
    »Wir haben Patienten mit schizophrenen oder schizo-affektiven
Symptomen«, sagte Dr. Krauer-Poppe zu Jack. »Ich meine solche, die in einer
relativ stabilen Remissionsphase sind, diejenigen, die genügend
Konzentrationsfähigkeit besitzen. Tja, [1068]  Sie würden sich wundern – die
Schizophrenen hören auch gerne zu, wenn Ihr Vater im Dunkeln Klavier spielt.«
    »Und das Klavierspiel scheint diejenigen unserer Patienten zu
beruhigen, die unter Panikattacken leiden«, sagte Dr. Berger.
    »Außer denen, die im Dunkeln unter Panikattacken leiden«,
präzisierte Dr. von Rohr. (Jack merkte, daß ihr durchaus

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