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Bis ich dich finde

Bis ich dich finde

Titel: Bis ich dich finde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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See mußten an die
hundert Segelboote unterwegs sein.
    »Ich gehe manchmal mit William Kleidung kaufen«, verriet die
Schwester Jack. »Ich habe noch nie einen Mann erlebt, der so gern Kleider kauft
wie Ihr Vater. Wenn er etwas anprobieren muß, kann er schwierig werden. Spiegel
sind problematisch – Auslöser würde Dr. von Rohr sie
nennen. Aber mir gegenüber benimmt sich William tadellos. Da macht er keine
Faxen.«
    Sie betraten ein Gebäude, das nach Verwaltung aussah, obwohl es nach
Küche roch. Vielleicht war hier eine Cafeteria oder der Speisesaal der Klinik
untergebracht. Jack folgte der Schwester eine Treppe hinauf, wobei ihm auffiel,
daß sie immer zwei Stufen auf einmal nahm: bei einer kleinen Frau in einem Rock
erforderte dies robuste Entschlossenheit. (Er konnte sich mühelos vorstellen,
daß sein Vater bei Waltraut Bleibel keine Lust auf irgendwelche Faxen hatte.)
    Sie fanden Professor Ritter in einem Besprechungszimmer, wo er ganz
allein am Kopfende eines langen Tisches saß und sich auf einem Schreibblock
Notizen machte. Er sprang auf, als Schwester Waltraut Jack ins Zimmer führte.
Er war ein drahtiger Mann mit kräftigem Händedruck und sah tatsächlich ein
wenig wie David Niven aus, trug aber keine Tenniskleidung. Seine khakifarbene
Bundfaltenhose war scharf gebügelt. Seine hellbraunen Slipper sahen aus wie
frisch geputzt, und er trug ein dunkelgrünes, kurzärmeliges Hemd.
    »Ah, Sie haben uns gefunden!« rief der Professor.
    »Er hat zuerst Pamela gefunden«, sagte Schwester Waltraut.
    »Die arme Pamela«, erwiderte Professor Ritter.
    »Das macht nichts. Pamela glaubt nur wieder, daß es an ihren
Medikamenten liegt«, sagte die Schwester im Hinausgehen.
    »Merci vielmal, Waltraut!« rief Professor Ritter ihr nach.
    »Bitte, bitte«, sagte Schwester Waltraut mit der gleichen [1059]  beiläufigen Geste, mit der sie auch die Antivogel-Vögel auf den großen
Fensterscheiben bedacht hatte.
    »Waltraut hat einen Bruder namens Hugo, der gelegentlich mit Ihrem
Vater in die Stadt fährt«, erfuhr Jack von Professor Ritter. »Aber er geht mit
William nicht Kleidung kaufen. Das kann Waltraut besser.«
    »Sie hat irgend etwas von Spiegeln gesagt«, meinte Jack. »Sie hat
sie als Auslöser bezeichnet oder vielmehr gesagt, daß
einer der Ärzte das tut.«
    »Ja, richtig – dazu kommen wir noch!« sagte Professor Ritter. Er war
es offenbar gewohnt, Besprechungen zu leiten. Er war freundlich, aber ließ
keinerlei Zweifel daran, wer das Sagen hatte.
    Als die anderen hintereinander ins Besprechungszimmer kamen, fragte
sich Jack, wo sie gewartet hatten. Welches ihm verborgen gebliebene Signal
hatte sie herbeigerufen? Offenbar wußten sie sogar, wo sie zu sitzen hatten –
als stünden Platzkarten auf dem kahlen Tisch, auf den sie ihre nahezu
identischen Schreibblöcke legten. Sie hatten sich vorbereitet; sie sahen aus,
als wären sie regelrecht auf dem Sprung, sich Notizen zu machen. Doch zuerst
mußte Jack das obligatorische Händeschütteln über sich ergehen lassen, das nach
seinem Eindruck bei jedem ein, zwei Sekunden zu lang dauerte. Und jeder Arzt
und jede Ärztin sagte ein typisches kleines Sprüchlein auf, als wäre die
Zusammenkunft geprobt worden.
    »Grüß Gott!« sagte Dr. Horvath, der kernige Österreicher und
schwenkte Jacks Hand auf und ab.
    »Ihre Leinwandpersönlichkeit mag Ihnen vorauseilen, Mr. Burns«,
sagte Dr. Berger (der Neurologe und Faktenmensch), »aber wenn ich Sie mir so
anschaue, sehe ich als allererstes einen jungen William vor mir!«
    »Dürfen wir uns andererseits«, sagte Dr. von Rohr in ihrer typischen
Oberärztinnenmanier, »bloß wegen unserer Vertrautheit mit William anmaßen, Jack
Burns zu kennen? Ich frage nur.«
    [1060]  Dr. Huber warf einen Blick auf ihren Piepser, während sie Jack
die Hand schüttelte. »Ich bin bloß Internistin«, sagte sie zu ihm. »Sie wissen
schon, eine ganz normale Ärztin.« Dann gab ihr Piepser Laut, und sie ließ Jacks
Hand so plötzlich los, wie sie es vielleicht auch getan hätte, wenn er
gestorben wäre. Sie ging zu dem Telefon, das sich unmittelbar neben der Tür
befand. »Huber hier«, sagte sie in den Hörer. Nach kurzem Schweigen fügte sie
hinzu: »Ja, aber nicht jetzt.«
    Jack war sich sicher, daß er Dr. Anna-Elisabeth Krauer-Poppe erkannte,
das Mannequin, das seine Kleidung mit einem langen, gestärkten, schneeweißen
Laborkittel schützte. Dr. Krauer-Poppe schaute ihm mit wissendem Blick in die
Augen, als versuchte sie,

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